Ausgabe 11 - 2002 berliner stadtzeitung
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Kirchenaustritt zwecklos?

Für einen Austritt aus den beiden großen, vom Staat privilegierten Kirchen gibt es unterschiedliche Gründe: die 2000jährige Kriminalgeschichte des Christentums, intellektuelles Unbehagen an der „Heilslehre" – oder schlicht den Wunsch, Geld zu sparen. Das ist freilich nur solange möglich, solange man nicht arbeitslos wird.

Dank des 1933 von Adolf Hitler mit dem Vatikan geschlossenen Konkordats befinden sich die evangelische und die katholische Kirche in der BRD auch heute noch in der angenehmen, weltweit einzigartigen Lage, die Kirchensteuer vom Staat eingetrieben zu bekommen ­ ein Zustand, welcher der in der Verfassung festgelegten Trennung von Staat und Kirche Hohn spricht. Doch damit nicht genug: Bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes wird davon ausgegangen, daß die Betroffenen Kirchenmitglieder sind, gleichgültig, ob das nun zutrifft oder nicht. Diese im Falle von konfessionslosen Erwerbslosen fiktive Kirchensteuer wird vom Bruttolohn, auf dessen Grundlage das Arbeitslosengeld berechnet wird, abgezogen, ohne daß dieses Geld den Kirchen tatsächlich zugute käme. Gerechtfertigt wird das mit „Verwaltungspraktikabilität" ­ und damit, daß ja eine überwiegende Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung in der Kirche sei.

Das ist mittlerweile allerdings höchst fragwürdig. Ein Urteil des Bundessozialgerichts vom 8. November 2001, das die vom „Bund gegen Anpassung" in Freiburg im Breisgau herausgegebene Zeitschrift Ketzerbriefe zitiert, geht von einer Schätzung aus, derzufolge 1999 nur noch 57 Prozent der Bevölkerung Kirchensteuer zahlten. Eine überwiegende Mehrheit? Da die Kirchen laufend Mitglieder verlieren, ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis diese Argumentation zusammenbricht.

In Freiburg hat nun der arbeits- und konfessionslose Lektor Peter Nittmann gegen die fiktive Kirchensteuer geklagt, vertreten von Gottfried Niemitz, der das sogenannte Kruzifix-Urteil erstritten hat, und publizistisch unterstützt vom Bund gegen Anpassung. Nittmann ist bereit, bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu gehen. In erster Instanz wurde die Klage Ende November erwartungsgemäß abgewiesen – wie schon in vielen Fällen, mit lediglich einer Ausnahme in Chemnitz, die diese Regel bestätigt. Aber dort hat dann die zweite Instanz geblockt.

hb

> Weitere Informationen: www.bund-gegen-anpassung.com

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