Ausgabe 10 - 2002 berliner stadtzeitung
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Gegenstimmen

Theater als Bühne für politische Diskussion

Seit Jahren öffnet die Schaubühne am Lehniner Platz ihr Haus sonntags um zwölf mitunter als „Streitraum" für kultur- und allgemeinpolitische Debatten. Am 24. November geht es dort bei freiem Eintritt um die „Modernisierung des Islam", am 15. Dezember um „Eine weibliche Welt. Nora und die Folgen", ein Ostermeiers neue „Nora"-Inszenierung begleitendes Hintergrundgespräch. Ebenfalls sonntags stellen Bertelsmann und die Berliner Festspiele bei den „Berliner Lektionen" im Renaissance-Theater prominente Zeitgenossen mit ihrer Weltsicht vor. Am 15. Dezember um 11.30 Uhr kann man für 4 bzw. 6 Euro dem „King of Calypso" Harry Belafonte zuhören, der sich nicht nur als Sänger und Schauspieler betätigt, sondern stets auch politisch einmischte.

Ab November überläßt auch das GRIPS-Theater am Hansaplatz einmal monatlich seinen Bühnenraum dem gesellschaftspolitischen Diskurs. Feste Partner sind dabei die Neoliberalismus- und Globalisierungskritiker von Attac. Bei Attac denkt man zunächst an „Attacke" und die Fernsehbilder der Straßenschlachten zu den Weltwirtschaftsgipfeln. Tatsächlich handelt es sich um die Abkürzung für „Association pour la taxation des transactions financières pour l'aide aux citoyens", zu deutsch: „Vereinigung für die Besteuerung von finanziellen Transaktionen zugunsten der Bürgerhilfe". Die soziale Bewegung war ursprünglich eine scheinbar technokratische Initiative zur Einführung der Tobin-Steuer.

Die von DGB und taz unterstützte Veranstaltungsreihe nennt sich „Gegenstimmen". Beim ersten Termin am 22. November um 19.30 Uhr wird das Wegbrechen der natürlichen Lebensgrundlagen thematisiert, unter dem Titel „Der verkaufte Planet. Die Biosphäre in der Globalisierungsfalle". Beteiligt sind der Politikwissenschafter Mohssen Massarrat von der Uni Osnabrück und Ex-Greenpeace-Vorstand Wolfgang Sachs.

Am 8. Dezember geht es unter dem Titel „Arbeit bis zum letzten Job" um die – nicht nur für vier Millionen arbeitslosen Deutschen – brisante Frage, warum unsere High-Tech-Zivilisation unfähig ist, „die ständig wachsende Arbeitsproduktivität in mehr Gemeinwohl und ,Zeitwohlstand' umzusetzen statt in Massenarbeitslosigkeit und Überproduktion". Während Kurzzeit-Finanzminister und Attac-Sympathisant Oskar Lafontaine literarisch konstatiert: „Die Wut wächst. Politik braucht Prinzipien", will Attac nicht bei der neoliberalen Ideologiekritik stehen bleiben. Die Wirtschaftsprofessoren Ingrid Kurz-Scherf und Herbert Schui, beides Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats von Attac, diskutieren einen Ausweg aus dem festgefahrenen Lamentieren über angeblich zu hohe Löhne, Steuern und Sozialabgaben.

Franz-Josef Paulus

> Informationen: Attac hat die Homepage www.gegenstimmen.de eingerichtet, wo auch Texte der Beteiligten zu finden sind. Weitere Informationen: fon 6946101

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  Ausgabe 10 - 2002