Ausgabe 09 - 2002 berliner stadtzeitung
scheinschlag

Diese Ausgabe

Inhaltsverzeichnis

Impressum


Zur Homepage

Schule raus, Schule rein

Welches Viertel zu welcher Schulform paßt

Die Freie Schule Prenzlauer Berg, eine „staatlich anerkannte private Ersatzschule" mit antiautoritärer Konzeption, soll ihr Domizil in der Thomas-Mann-Straße zugunsten einer zentralen bezirklichen Verkehrsschule räumen. Der Mietvertrag erlischt, sobald ein Ersatzstandort gefunden ist. Die Mitarbeiter und die Eltern der bisher 30, künftig bis zu 50 Kinder bemühen sich zur Zeit um Teile der Gustav-Eiffel-Schule an der Kastanienallee. Mit wenig öffentlichen Geldern, etwas Improvisationskunst und viel Eigenleistung wollen sie drei rückwärtig gelegene Nebengebäude für Kinderhort, Unterrichtsräume und Werkstätten herrichten. Die Gebäude werden demnächst frei, weil die Haupt- und Realschule verlegt werden soll – und zwar in einen Plattenbau gleich neben dem, der zur Zeit die Freie Schule beherbergt.

Die Rochade hat ihre Berechtigung, denn die von ihren Teilhabern „Freie Alternativschule" genannte Einrichtung zieht in die Nähe ihrer Nutzer. Sie wurde 1992 von einer Elterngruppe gegründet und ist nach wie vor entscheidend auf finanzielle Beteiligung (rund 140 Euro im Monat) und das ehrenamtliche Engagement der Eltern angewiesen. Die Freie Schule ist somit ein typisches Kind der immer-noch-irgendwie liberal-alternativen Kieze um den Kollwitz- und Helmholtzplatz und wirkte in dem proletarisch-kleinbürgerlichen Plattenbauviertel am Rande von Prenzlauer Berg etwas fremd, seit sie 1997 aus der Jablonskistraße hierher gezogen war. Nach Ansicht aller Beteiligten paßt sie einfach besser in eine Gegend wie die rund um die Kastanienallee, und auch der Kiez kann eine Einrichtung gut gebrauchen, die etwas Sinnvolleres und Originelleres zu bieten hat als Gastronomie.

Ein wenig bitter mutet es aber an, daß die Freie Schule ausgerechnet die Gustav-Eiffel-Schule ersetzt, die ja auch aus dem Kiez stammt und hierher gehört. Oder schon nicht mehr? Die Schüler einer Haupt- und Realschule werden inzwischen anscheinend in der Platte vermutet und nicht mehr in den stuckverzierten Wohnungen an der Kastanienallee.

Johannes Touché

© scheinschlag 2002
Inhalt dieser Ausgabe | Home | Aktuelle Ausgabe | Archiv | Sitemap | E-Mail

  Ausgabe 09 - 2002