Ausgabe 09 - 2002 berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Erst die Autos, dann die Blumenkübel

M Die Gegend um das Nordkreuz ist ein Beispiel an gekonnter Verkehrsberuhigung. Die Schwedter Straße diente nördlich des Gleimtunnels als Grenzstreifen und ist nach wie vor für den Durchgangsverkehr gesperrt, nicht aber für die Ziegen des Kindernbauerhofs nebenan. Sie ist eine Idylle aus Schlaglöchern (Schrittgeschwindigkeit!), wucherndem Unkraut (Grün in der Stadt!) und Schutthaufen (Kinderspielplätze!) ­ ein wohltuender Kontrast zu den putzig möblierten Spielstraßen, für die die behutsamen Stadterneuerer stets soviel Arbeit und Geld investieren.

Das weiß das „Quartiersmanagement Falkplatz" als Tochter der STERN, des obersten behutsamen Stadterneuerers von Prenzlauer Berg, naturgemäß nicht zu schätzen, und so hatte man keine Einwände gegen die Pläne des ALDI-Konzerns, am Ende der Straße einen Supermarkt zu errichten. Die Idylle soll nun in eine Zufahrtsstraße verwandelt werden; darüber hinaus wird sie vielen Autofahrern als Schleichweg dienen, wenn die Gleimstraße mal wieder verstopft ist. Nicht nur, daß die Quartiersmanager nichts dagegen vorbrachten. Sie unterstützten die Idee sogar, indem sie jede Bürgerbeteiligung sorgsam vermieden und dem Großkonzern Hilfe bei der Beschaffung öffentlicher Fördermittel anboten, damit die neue Straße außer laut und gefährlich auch hübsch wird. Erst Autos und Lieferwagen, dann Gehwegvorstreckungen und Blumenkübel ­ dümmer geht es nicht.

Noch etwas weiter nördlich droht sich die ganze Idiotie zu wiederholen: Dort wird demnächst die Behmstraßenbrücke für den Autoverkehr geöffnet. Genau wie einst der Gleimunnel verbindet sie (für Fahrradfahrer und Fußgänger!) schon seit Jahren den Wedding mit Prenzlauer Berg. Genau wie im Tunnel wird es hier bald jede Menge Durchgangsverkehr geben, der auch hier die stillen Straßenstümpfe östlich wie westlich der Engstelle für Kinder und Ruhesuchende unbrauchbar machen wird. Und genau wie jetzt an der Gleimstraße wird der Autoverkehr später auf die Nebenstraßen übergreifen, die jetzt noch ähnlich beschaulich wie die Schwedter Straße vor sich hindämmern.

jt

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