Ausgabe 08 - 2002 berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Ausbruch aus den belastenden Verhältnissen

Die zweite Auszeit am theater strahl

Zwei Jahre nach der Uraufführung gibt es für Menschen ab 14 eine Neuinszenierung der Auszeit von Günter Jankowiak und dem Ensemble vom Jugendtheater strahl.

Das Beziehungsgeflecht zwischen den vier MitschülerInnen Gabi, Meike, Lars-Oliver und Jost dient darin der nachwachsenden Generation als Projektionsfläche für die Nöte, Träume und Gehversuche bei ihrem „Sprung ins Erwachsenenleben". In strahl-typischer Schauspieler-Ökonomie werden die relevanten Erwachsenen, sprich Eltern, Lehrer u.ä. von denselben Mimen dargestellt, die auch die Jugendlichen spielen. Dieser häufige Rollenwechsel erfordert auch angesichts der sich auf das Nötigste beschränkenden Kostümierung und einem abstrakt gehaltenen Bühnenraum Konzentration auf das Gesagte. Überhaupt lebt das Stück etwas zu sehr von der bloß verbalen Diskussion der verschiedenen Lebenslagen. Diese werden ­ wohl auch dank des Feedbacks von Schüler- und LehrerInnen der Lina-Morgenstern-Oberschule ­ drastisch, aber realistisch dargestellt.

Eine Auszeit im Strudel des jungen Lebens gibt es für keine der vier Personen, stattdessen werden sie bei der Aufgabe, einen befriedigenden Platz darin zu finden, mit der Hypothek des deformierten Daseins ihrer Eltern belastet. Lars-Olivers Mutter säuft bis zur Klinikeinlieferung, sein Vater hat sich längst davongemacht. Dagegen hat Meike nur noch einen soft-alternativen Vater, dem sie aber bereits die leidige Hausarbeit abnimmt wie eine herkömmliche Ehefrau. Auch Gabis Eltern haben bereits eine Trennung hinter sich, und ihre Mutter und ihr Stiefvater sind spießig-gutbürgerlich bemüht, sie von der schlimmen Schwester fernzuhalten, ohne daß klar wird, was diese denn verbrochen hat. Josts Eltern tauchen nicht auf, aber seine sexistisch-schwätzerische Art läßt einiges erahnen ...

Lars-Oliver verschließt sich zu Anfang verschämt gegenüber seiner Umwelt, aber vor allem durch Meikes ausgeprägte Zielstrebigkeit und Kommunikationsfähigkeit gelingt den Jugendlichen ein Ausbruch aus den belastenden häuslichen Verhältnissen. Damit ist ein befreiender Entwicklungssprung gemacht, hinein in Verhältnisse, die allerdings für keinen Zeitgenossen nur sonnig und easy sind.

Franz-Josef Paulus

Aufführungen in der Stammspielstätte des theater strahl in der Martin-Luther-Str. 77, Schöneberg, am 30. September, sowie am 1. und 2. Oktober um 11 Uhr, am 5. November um 11 Uhr und um 19.30 Uhr und am 6. und 7. November um 11 Uhr. Tickets und Informationen: fon 69599222

www.theater-strahl.de

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  Ausgabe 08 - 2002