Ausgabe 08 - 2002 berliner stadtzeitung
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Aus für das Lindenhotel

Was ist die europäische Stadt ohne öffentlichen Raum? Eine amerikanische Stadt, zur Hälfte im Boden versenkt. Das zu veranschaulichen, ist seit einigen Jahren das traurige Schicksal der Friedrichstraße, wo man seit dem letzten Bauboom südlich des Bahnhofs nicht mehr weiß, was man außer Kaufen noch anstellen soll. Nur auf dem Plätzchen vor dem Hotel Unter den Linden, das sich in Senatsbesitz befindet, hat das städtische Leben noch etwas Raum. Um auch diesen Restbereich der kapitalistischen Verwertung zuzuführen, hat nun der Liegenschaftsfonds, der das Grundstück verwaltet, ein Bieterverfahren gestartet. Der Preis für das Grundstück, das einer „hauptstadtbezogenen Nutzung" (wohl ein Kaufhaus) mit 20 Prozent Wohnanteil zugeführt werden soll, wird auf 15000 Euro pro Quadratmeter geschätzt. Vom Käufer wird neben einem Ersatz für Telefonzellen und Bäume auch der Rückbau der Fahrbahn der Friedrichsstraße gefordert, sowie ein Realisierungswettbewerb zur Erzeugung der üblichen architektonischen Originalität.

Als ob das noch nicht genug wäre, kommen auf den Käufer erhebliche Kosten bei der Baureifmachung zu: Fundamentreste, drückendes Wasser, ein geplanter U-Bahnhof in unmittelbarer Nähe. Hinzu kommen Probleme mit den Nachbarn, der Deutschen Interhotel Holding, die das Hotel auf dem Nachbargrundstück betreibt, sowie Dussmann auf der anderen Seite der Dorotheenstraße. Dussmann hat etwas gegen ein weiteres Kaufhaus, Interhotel will seinen Gästen nicht die Sicht auf die Linden versperren. Beide könnten ­ theoretisch ­ die Nachbarschaftsgenehmigung verweigern.

Um es potentiellen Investoren ein bißchen leichter zu machen, schlug Stadtentwicklungssenator Strieder vor, doch gleich beide Grundstücke zu beplanen, das Eckgrundstück an der Friedrichstraße und das, auf dem das Lindenhotel steht. Der Denkmalschutz für das Hotel wurde bereits aufgehoben, die Abbruchgenehmigung ist erteilt. Nun darf man dreimal raten, wer auf den zusammengelegten Grundstücken seine Supermegashoppingmall bauen darf. Bis die Interhotel Holding als Käufer offiziell feststeht, müssen wir uns allerdings noch gedulden: Erst am 2. Oktober findet die Ausschußsitzung statt, in der Vertreter des Senats, des Bezirks und weiß Gott wer noch über die Vergabe „entscheiden". Schließlich sind wir hier nicht im Wilden Westen.

jt

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