Ausgabe 08 - 2002 berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Blut und Angstschweiß

Erinnert sich noch jemand an die „Blutbank"? Die Initiative des Berliner Kulturrats wollte im Juli die Erlöse einer Blutspendeaktion Berliner Kulturschaffender der notleidenden Bankgesellschaft zukommen lassen. Die Landesbank bestand aber darauf, ihre Sanierung „aus eigener Kraft zu meistern", und lehnte – unter dem Raunen der Presse – das symbolisch aufgeladene Geld („Kultur rettet die Wirtschaft") ab. Die Blutbank eröffnete daraufhin kurzerhand ein Konto und transfundiert das „Blutgeld" nun per Kontoführungsgebühren. Leider war die Presse zu diesem Zeitpunkt bereits mit anderen Themen beschäftigt, und niemand nahm Kenntnis von der Aktion.

Die Strategie der Initiative Berliner Bankenskandal hingegen scheint aufgegangen zu sein: Seit sie Anfang September auf die Villen der Nutznießer der Bankenkrise marschierte, werden die skandalösen Gewinne, die private Anleger mit den Immobilienfonds der Bankgesellschaft gemacht haben und die großzügigen Verlustgarantien der öffentlichen Hand endlich zusammengedacht. Nun haben die Verwaltungsräte der Fonds angekündigt, nach einvernehmlichen Wegen zu deren Auflösung zu suchen. Die Grünen, offenbar auch in der Opposition weit davon entfernt, sich mit dem wirtschaftlich-politischen Establishment ernsthaft anzulegen, hoffen auf einen „Weg, um Lösungen zu beiderseitigem Vorteil zu entwickeln". Nach einem echten Politikwechsel klingt das nicht, aber immerhin: Für die Initiative Berliner Bankenskandal ist es ein Erfolg.

Auch in Zeiten weitgehend symbolischer Politik gibt es bei der Effizienz der Aktionsformen wohl einen meßbaren Unterschied zwischen augenzwinkernd intelligenten Symbolen, wie sie der Kulturrat inszenierte, und den aufrührerischen, nach Krawall riechenden Protestaktionen der Initiative Berliner Bankenskandal. Man kann nur hoffen, daß sie so weitermacht – und nächstes Mal nicht den polizeilich vorgeschriebenen Abstand zu den Vorgartenzäunen im Grunewald einhält.

jt

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  Ausgabe 08 - 2002