Ausgabe 07 - 2002 berliner stadtzeitung
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Berlin 1902

Das Passage-Theater bietet am 1. September gleich zwei Premièren. Das umgestaltete Haus erstrahlt zum ersten Mal in frischem Glanz und bietet somit die erste, das neue Programm die zweite Première. Dem prächtigen äußeren Rahmen entspricht das Programm, da ist die japanische Naniva-Truppe mit akrobatischer Geschicklichkeit, die Gebrüder Ceado auf der rotierenden Leiter, Pavel und Geo am dreifachen Reck und die Deamandos am schwebenden Trapez. Gisela Werther ist eine beachtenswerte Liedersängerin und Ella Captivée wie Hella Collier beleben ihre flotten Chansons durch munteren Vortrag und dezenten Humor. Eine sehr hübsche Leistung bieten die fünf Damen des Belcanto-Quintetts mit ihrem A-capella-Gesang. Der Stern des Abends ist aber der russische Tenorist Saveli Gore. Er besitzt einen Tenor von ganz besonderer Höhe und zartem Schmelz. Der Kinematograph beschloss den Abend mit einem aktuellen Bild: dem Einzug des italienischen Königs, den noch einmal bequem vom Parkettsitz zu genießen dem Publikum sichtlich Freude bereitet.

Aus Kamerun sind die Häuptlinge King Deido, Jim Elwala und King Ackwa eingetroffen. Deido hat seinen Sohn Otto mitgebracht, um ihn in Deutschland erziehen zu lassen. Auch diese neuen Ankömmlinge haben bei Prediger Schewe, dem Begründer der Baptistenmission in Kamerun, Wohnung genommen. Am 3. September verläßt Manga Bell mit seinem Sohn und Erben Rudolf Berlin, um die Heimreise anzutreten. Manga Bells jüngerer Sohn, der 12jährige Richard und der 4jährige Sohn Rudolfs bleiben hier, um deutsche Schulen zu besuchen. Richard, der hier studieren will, hat bei einem Empfang im Schloß dem Kaiser auf die Frage, was er werden wolle, kurz und bündig geantwortet: „Doktor, Majestät!"

Die Allgemeine Fleischerzeitung berichtet: „Um mit goldenen und silbernen Medaillen Gewerbetreibende zu prämieren, that sich der angebliche „Director" Solitander, bekannt von der Rixdorfer Wurstfabrik, mit zwei früheren Fleischermeistern, jetzigen Rentnern, Ahlert in Rixdorf und Reichelt in Steglitz, zusammen. Einer der genannten Herren oder einer ihrer Agenten, von denen z.B. der Kaufmann und Architekt Otto Spangrus, früher Hallesche Straße 23, jetzt in Freiburg, genannt sei, macht den Gewerbetreibenden, den er sich aufs Korn genommen, darauf aufmerksam, daß es doch für sein Geschäft von Vortheil wäre, wenn er auf seinen Schildern, Schaufenstern, Preislisten, Rechnungen u.s.w. als Inhaber einer gewerblichen Auszeichnung erscheinen könnte, und sagt ihm, daß er imstande sei, ihm zu einer silbernen oder goldenen Medaille zu verhelfen. Beißt er an, so hat er an die Adresse des „Directors" Silitander einen Antrag auf Prämiirung zu richten und gleichzeitig eine Auswahl seiner Erzeugnisse einzusenden. In den meisten bis jetzt festgestellten Fällen hat sich das Consortium Fleischermeister und Bäcker zu Opfern ausersehen. Die von dem Prämierungslustigen eingesandten Waaren werden selbstverständlich auch als der Prämierung würdig befunden. Der Preis schwankt von 150 bis 300 Mk. Dafür giebt's eine silberne bezw. feuervergoldete Medaille, in Etui, und ein Diplom zum Einrahmen – im Werthe von zusammen etwa 4 Mk. 50 Pf. – und für weitere 20 Mk. eine Ehrenmitgliedskarte. Die Medaille hat auf der einen Seite die Worte „Für Gewerbe und Industrie, Berlin" mit drei weiblichen Figuren, auf der anderen die Worte „Höchste Auszeichnung für hervorragende Leistungen, Berlin". Eine Jahreszahl steht auf der Medaille nicht. Und für solch Komödienspiel haben bereits zahlreiche Gewerbetreibende ihr Geld hergegeben."

Briefmarken-Automaten dürften in absehbarer Zeit auch auf den Bahnsteigen größerer Eisenbahn-Stationen zu finden sein. Der Minister der öffentlichen Arbeiten hat die Eisenbahndirectionen um gutachtliche Äußerungen darüber ersucht, ob die Aufstellung von Briefmarken-Automaten des Systems Abel auf den Bahnhöfen zugelassen werden kann und ob ein Bedürfnis oder ein allgemeines Interesse hierfür anzuerkennen ist.

Falko Hennig

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