Ausgabe 07 - 2002 berliner stadtzeitung
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Legal, illegal, Bankenskandal

Der Fall Bankgesellschaft bleibt heiß

Wie schnell Politik und Presse ihre sonst so geschätzte Contenance verlieren, zeigte sich Ende Juli. Von „Pogrom" und „Hexenjagd" war die Rede, als die „Initiative Berliner Bankenskandal" knapp 180 vermögende Zeichner der berüchtigten Immobilienfonds der bankrotten Bankgesellschaft Berlin öffentlich anschrieb und höflich bat, auf Teile ihrer Gewinne zu verzichten. Die wütenden Reaktionen verdeutlichten eines: Die von Attac und dem FU-Professor Grottian ins Leben gerufene Initiative hatte in ein Wespennest gestoßen.

Der Skandal, der da wieder auf die Agenda katapuliert wurde, besteht zunächst in den undurchsichtigen Geschäften der Banker, der Raffgier ihrer Kunden und der Komplizenschaft der Wirtschaftsprüfer und Bankenaufseher. Vor allem aber besteht er in der gigantischen Sozialisierung privater Verluste: Mit einer Bürgschaft in Höhe von 21,66 Milliarden Euro hatte das Abgeordnetenhaus Anfang April die „Immobiliendienstleistungsgeschäfte" der Bankgesellschaft für die nächsten 30 Jahre abgesichert. Jeder Berliner – ob Kind oder Greis – wird so mit 6000 Euro an den sittenwidrigen und teils kriminellen Geschäften der Banker beteiligt. Und das, obwohl es rechtlich keinesfalls gesichert ist, daß Berlin auch wirklich für diese Schulden haften müßte. In diesem Sinne warnten schon vor der Risikoübernahme neben Attac Berlin selbst Abgeordnete der Regierungsfraktionen wie der SPD-Linke Lorenz oder der PDS-Politiker Over vor dem Gesetz.

Aber auch, nachdem die Risikoübernahme nun verabschiedet ist, sieht der Bankenrechtsexperte Prof. Hans-Peter Schwintowski weiteren Spielraum: In einer Stellungnahme, die er auf der Pressekonferenz der Initiative vorstellte, forderte er, die Fonds an marktübliche Bedingungen anzupassen. Das hieße, die Mietgarantien, die 25 bis 30 Jahre betragen, auf fünf Jahre zu senken. Marktübliche Bedingungen wären auch, am Ende der Laufzeit nicht jenen Betrag an den Fondszeichner zurückzuzahlen, mit dem er eingestiegen ist, sondern einen Anteil entsprechend dem Marktwert der Immobilien. Nach den derzeitigen Verträgen muß die Bankgesellschaft, respektive das Land Berlin, die Differenz an die Fondszeichner zahlen. Auch müßte die jährliche Rendite, die sechs bis acht Prozent beträgt, abgesenkt werden. Eine solche Anpassung hält Schwintowski nicht nur für rechtlich möglich, sondern auch für dringend geboten: Verträge, die ausschließlich zu Lasten der Steuerzahler gingen, verstießen gegen das im Grundgesetzt verankerte Äquivalenzprinzip.

Mit dem Vorstoß der Initiative wurden auch die politischen Koordinaten der Stadt mächtig durcheinandergewirbelt. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Frank Steffel signalisierte aus dem Mallorca-Urlaub Unterstützung, überholte den rot-roten Senat von links und löste damit einen heftigen Machtkampf in der Berliner CDU aus. Auch die SPD signalisierte Einsicht. Allein die PDS blieb beim altbekanntem: „There is no alternative". Das verwundert kaum noch. Hatte doch der ehemalige Fraktionsvorsitzende Harald Wolf schon vor der Risikoübernahme am liebsten mit Horrorszenarien hantiert: Ohne Bürgschaft ginge die Bank bankrott, 30 Milliarden Euro Schulden landeten sofort beim Land und in Berlin gingen die Lichter aus. Ganz von der Hand zu weisen ist das Argument einer „Haftungskette" nicht. Denn in der Tat haftet Berlin als Gewährsträger für die Landesbank, die wiederum durch diverse Verträge mit den Konzerntöchtern verwoben ist, in vollem Umfang. Doch ob diese „Haftungskette" nicht unterbrochen werden kann, wurde, wie der Landesrechnungshof feststellte, nie ernsthaft geprüft ­ bis heute nicht! Stattdessen referiert die PDS gebetsmühlenartig die Argumente der Banker. Daß dies zu einem massiven Vertrauens- und Ansehensverlust bei Wählern und Sympathisanten führen muß, ist inzwischen offenkundig: Die PDS als Erfüllungsgehilfin der Banken. Das ist schlimmer als jede Stasi-Enthüllung.

LBB

Foto: Knut Hildebrandt

Auch bei der Frage des Verkaufs der Bankgesellschaft machen die regierenden Sozialisten einen denkbar unglücklichen Eindruck. So soll es zum Totalverkauf der Bankgesellschaft, also der Privatisierung der öffentlich-rechtlichen Sparkasse, wieder einmal keine Alternative geben. Dagegen lehnt die CDU einen sofortigen Verkauf der Bankgesellschaft aus guten Gründen ab. Die Hauptverantwortlichen für Filz, Korruption und Bankenpleite sehen zurecht die Gefahr, daß die Investoren nicht die Altrisiken aus dem Immobiliendienstleistungsgeschäft übernehmen werden. Letztlich bleibe der Steuerzahler auf den Risiken sitzen. Zudem sei zu befürchten, daß „der Preis in den Keller" verhandelt wird. Aber es kommt noch schlimmer: Aus dem Kreis der Investoren sickerte bereits die Forderung nach weiteren Bürgschaften durch. Für die Kritiker der Risikoübernahme kommt das nicht überraschend. Sie gingen bereits im April davon aus, daß die Bankgesellschaft ohne Teilinsolvenzen beispielsweise der Immobilientöchter nicht sanierbar sei. Das aber hätte geheißen, die Fondszeichner und westdeutschen Großbanken an den Sanierungskosten zu beteiligen. Aber bevor die Renditen der Deutschen Bank auf Jahre in den Keller gehen, verpfänden auch Sozialisten lieber ein ganzes Land.

Wie riskant ein Einstieg in die Bankgesellschaft ist, verdeutlichte die NordLB, die es ablehnte, für die komplette Bankgesellschaft ein Angebot vorzulegen. Sie ist nur noch an der Sparkasse interessiert. Aber auch beim Bieterverfahren ist eines sicher: Es findet unter Ausschluß der Berlinerinnen und Berliner statt. Eine kritische Gegenöffentlichkeit, die über das beste Konzept und womöglich den Erhalt der Sparkasse streiten könnte, wird so konsequent auf ein Minimum reduziert.

Aber auch dieses Minimum kann dafür sorgen, daß der Fall Bankgesellschaft heiß bleibt: Etwa mit dem geplanten Grunewaldspaziergang der „Initiative Berliner Bankenskandal" am Samstag, 7. September (Treffpunkt um 14 Uhr am S-Bahnhof Grunewald). Bei dieser „Bank-Parade" sollen die Villen der Verantwortlichen aus Bank und Politik besucht werden.

Birger Scholz

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