Ausgabe 07 - 2002 berliner stadtzeitung
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Theater auf dem Helmholtzplatz

Einen bajuwarischen Anstrich erhielt der Helmholtzplatz im August durch Aufführungen des Off-Theaters „Strich". Für die Jagdszenen aus Niederbayern, einem Stück über die Diskriminierung von Schwulen in der bayrischen Provinz, wurde die Freifläche vor dem Platzhaus mit Tischen, Bänken, Wurst- und Bierstand in einen biergartenähnlichen Zustand verwandelt. Die Premiere, wie alle Folgeaufführungen „Open-Air und umsonst", war gut besucht: Hunderte Zuschauer verfolgten das Schauspiel, das an wechselnden Ecken des Platzes stattfand, die zum Teil mit bühnenähnlichen Aufbauten versehen worden waren. Der Aufführungsort ist nicht zufällig gewählt: Der Regisseur will mit dem Stück in die seit dem Frühsommer wieder aufgelebte Debatte um die verschiedenen Nutzergruppen auf dem „Helmi" intervenieren. Der Hintergrund: Nachdem die Beschwerden von Anwohnern über die dem Alkohol zugeneigte Fraktion von Platznutzern zugenommen hatten, wartete Sozialstadtrat Lehmann (SPD) mit der Schnapsidee auf, den Platz einzäunen zu lassen. Eine solche Steilvorlage ließ sich der örtliche Kiezladen natürlich nicht entgehen und lud am 3. Juli zur öffentlichen „Kiezdiskussion" ein, unter dem pikanten Motto: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten." Immerhin 150 Leute trafen sich denn auch auf dem Helmholtzplatz. Dort wurde dann aber weniger diskutiert denn mobilisiert; von den Anwesenden wurde kaum Kritik an der Situation auf dem Platz geäußert. Lehmann rudert mittlerweile zurück und überlegt, es bei einem niedrigen, nur gegen Hunde gerichteten Zaun zu belassen. Außerdem will er in Zusammenarbeit mit dem Quartiersmanagement Helmholtzplatz einen „Platzdienst" einrichten, der aus Mitteln des Sozialamts finanziert werden soll. Daß er das Geld für den überflüssigen Zaun aus dem geschrumpften Bezirksetat erhält, kann allerdings getrost bezweifelt werden, und auf die Arbeit des „Platzdienstes" darf man gespannt sein: Alkoholika einsammeln? Für die Herren in Grün spitzeln? Da die Debatte um die Situation auf dem Helmholtzplatz wohl mit dem immer stärkeren Zuzug von Anwohnern zu tun hat, die keine Lust auf (sicher nicht ganz unkomplizierte) „Randgruppen" haben, darf man leider sicher sein: Fortsetzung folgt.

Thorsten Friedrich

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