Ausgabe 05 - 2002 berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Berlin 1902

16. Mai bis 12. Juni

Vorsicht bei Benutzung des Telephons! In den dem Telephon-Abonnenten-Verzeichnis vorgehefteten Anweisungen zur Benutzung der Fernsprecheinrichtungen wird besonders darauf aufmerksam gemacht, daß die an dem Fernsprechgehäuse befindliche Kurbel einmal herumgedreht werden soll, um das Vermittlungsamt oder den gewünschten Abonnenten anzurufen. Von der Reichstelegraphenverwaltung ist wiederholt darauf hingewiesen worden, daß die einmalige Umdrehung der Kurbel vollkommen ausreicht, die Anrufklappe der Fernsprech-Vermittlungsanstalt zum Abfall oder den Wecker des gewünschten Teilnehmers zum Anklingeln zu bringen.

Durch lange anhaltendes oder durch in allzu kurzen Zwischenräumen wiederholtes kräftiges Drehen der Inductorkurbel wird vielfach nicht nur die Herstellung der gewünschten Verbindung verzögert, sondern auch die Ausführung von Gesprächen mit anderen Teilnehmern vereitelt. In mehreren Fällen sind Telephonistinnen und auch die angerufenen Fernsprechteilnehmer durch unzweckmäßiges und ungestümes Handhaben der Inductorkurbel in unangenehmer Weise belästigt und vielfach auch körperlich verletzt worden. Eine nicht geringe Anzahl von Fernsprechgehilfinnen und auch männlichen Beamten hat infolge derartiger Verletzungen durch starke Inductorströme die Gesundheit eingebüßt und mußte als dauernd dienstunfähig in den Ruhestand treten. Mit Rücksicht auf diese Gefahren, welche durch die unvorschriftsmäßige Handhabung der Inductorkurbel herbeigeführt werden können, sollen demnächst auf Anordnung der Reichs-Telegraphenbehörde bei sämtlichen Telegraphenstellen in der nächsten Nähe des Apparates Warnungstafeln angebracht werden mit dem Wortlaut: „Beim Anruf die Kurbel langsam einmal herumdrehen. Mehrmaliges schnelles Drehen kann zur Beschädigung der Beamten und zu Ersatzansprüchen gegen die Theilnehmer führen."

Die von den Hauseigentümern in der Dragonerstraße und in der Prenzlauer Straße eingeleitete Agitation gegen den Krauseschen Plan, welcher nach langandauernder, sorgfältiger Prüfung die ortspolizeiliche Genehmigung erhalten hat, läßt die Befürchtung aufkommen, daß dadurch mindestens eine Verschleppung, möglich aber auch eine Vertagung der Angelegenheit ad calendas graecas herbeigeführt wird. Die Agitation gegen den Krauseschen Plan und die Propaganda für einen weitergehenden Plan, welcher Grundstücke in der Prenzlauer und in der Dragonerstraße anschneidet, ist ja, rein menschlich gedacht, nur natürlich. Es ist dieselbe Kirchturmpolitik, wie sie sich bei jeder Neuanlage, ob dies nun Eisenbahnen, Straßenanlagen, Grundstücksankäufe betrifft, stets geltend macht. Dem gegenüber muß hervorgehoben werden, daß die Bezirksvorsteher der hierfür in erster Reihe in Betracht kommenden Stadtbezirke 203 und 204, sowie fast sämtliche Hauseigentümer des Scheunenviertels, Mitglieder des Grundbesitzervereins des Schönhauser Stadttheils sind, der in seiner letzten Sitzung eine Resolution gefaßt hat, nach der das Project Krause IVa die Interessen aller Beteiligten berücksichtigt und die bestehenden Mißstände beseitigt.

Wer Gelegenheit gehabt hat, die so große Anzahl der Entwürfe nebst deren Varianten zu sehen und die Gründe zu erfahren, die für die Annahme des Krauseschen Planes IVa gesprochen haben, weiß, daß der Plan eine wohldurchdachte, auf die von Jahr zu Jahr steigenden Verkehrsverhältnisse berechnete Straßenanlage ist. Dem gegenüber wird in der Petition, die nur in geringer Zahl Unterschriften lediglich aus der Dragonerstraße trägt, behauptet, daß der nach dem Plan der Dragonerstraße vorgelagerte Triangel früher oder später aus Verkehrsrücksichten beseitigt werden muß. Jedoch ist im Gegenteil abzusehen, daß sobald nach den Wünschen der Petenten aus der Dragoner- und aus der Prenzlauer Straße der Cohnsche Plan ausgeführt wird, die Verbreiterung der Alten Schönhauser Straße und der Prenzlauer Straße in ihren ganzen Längen nötig würde.

Falko Hennig

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