Ausgabe 04 - 2002 berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Kurzkultur

bastion

In ihrer Existenz bedroht fühlen sich derzeit einige der wichtigsten und aktivsten Kulturinstitutionen der Stadt ­ während die Opernhäuser und großen Theater ungestört und selbstgefällig ihre langweiligen Programme planen können. Um 150000 Euro soll nun auch der Etat der „Freunde der Deutschen Kinemathek" gekürzt werden. Damit steht in Frage, ob das Programm in den Kellerkinos Arsenal 1 und 2 ­ erste Adresse ernstzunehmender Filmkunst in Berlin ­ im bisherigen Umfang überhaupt weitergeführt werden kann. Der Umzug von der gemütlichen Welserstraße in die Katakomben unter dem häßlichen Filmhaus in der Potsdamer Straße hatte ohnehin schon zu einer Kostenexplosion geführt. Die „Freunde" rufen nun die Arsenal-Besucher dazu auf, um 100 Euro eine Fördermitgliedschaft zu erwerben. Wer es sich leisten kann, sollte das tun.

Konto Nr. 3344300 bei der Bank für Sozialwirtschaft (BLZ 100 205 00), Stichwort: „Fördermitgliedschaft 2002" bzw. „FM02"

resignation

Auf einem Klassiker des absurden Theaters, den Stühlen von Eugène Ionesco, basiert eine Produktion, die das Orphtheater unter dem Titel Adieu, Schätzchen ankündigt. Susanne Trukkenbrodt, deren Abschiedsinszenierung am Theater in der Ackerstraße dieses Stück sein wird, hat Ionescos Stück radikalisiert: Ein altes Paar blickt auf das Leben zurück, die letzten Gefühle und letzten Wünsche kommen zur Sprache: „geflügelte Banalitäten", so heißt es in der Premierenankündigung, „die lautlos zu Boden sinken".

„Adieu, Schätzchen" nach „Die Stühle" von Eugène Ionesco, Premiere am 8. Mai, weitere Vorstellungen von 10.-12., 16.-19. und 22.-26. Mai um 21 Uhr im Orphtheater im Schokoladen, Ackerstr. 169/170, Mitte

expedition

Filmmusik ist in aller Regel dazu geeignet, sich den guten, alten Stummfilm zurückzuwünschen ­ der freilich auch meist mit den billigen Platitüden der Kinopianisten zugekleistert wurde. Filmmusik, das ist meist eine primitive Verdopplung von Affekten, Effekthascherei, eine Beleidigung für jeden, der ­ anders als die meisten Filmleute ­ über ein musikalisches Sensorium verfügt. Daß es auch anders geht und es durchaus hochwertige Filmmusik gibt, dafür stehen Komponisten wie Hanns Eisler, Morton Feldman oder Mauricio Kagel. Deren Expeditionen in die Welt des Tonfilms sind am 30. April in einer „Langen Nacht der Filmmusik" zu erleben. Allzu lang wird diese lange Nacht diesmal glücklicherweise nicht. Um 0 Uhr ist Schluß, und man kann sich möglicherweise wichtigeren Dingen widmen.

„Lange Nacht der Filmmusik", in allen Sälen des Konzerthauses am Gendarmenmarkt, Mitte, am 30. April ab 18 Uhr

marion

Tage und Nächte hat Marion Eichmann anscheinend an der Strickmaschine verbracht. Das Ergebnis ­ „16324800 Maschen" ­ hat die Textilarbeiterin Prof. Jürgen Grotenbach als Diplomarbeit im Fachgebiet Textil- und Flächendesign unterjubeln können. „Spielerisches Experimentieren" lautet Eichmanns Selbstbeschreibung. Die raumgreifende Collage trägt ein beige-schwarzes Wellenmuster. Die Designerin beabsichtigt, sich am 21. April um 13 Uhr in ihre Arbeit einzuhüllen. Wer das sehen will ­ am 21. oder danach bis zum 4. Mai ohne eingehüllte Designerin ­ sollte sich an diese wenden.

Marion Eichmann: „16324800 Maschen", in der Auguststr. 52, Mitte, Kontakt: 0179/6871428 oder m-e-@gmx.net

auto-mobilisation

Als „eine unerhört komische und hintergründige Karikatur" deutscher Gegenwart und Vergangenheit kündigt uns der Piper-Verlag Falko Hennigs neuen Roman Trabanten an. Die Geschichte, die sich als eine anthropologische Annäherung an den motorisierten Menschen versteht, handelt von dem Auto-Maniker Henry Täufler (einen Geschlechtsakt kann er nur bei laufendem Motor vollziehen), von Stasi-Akten, kaputten Autos, Wernher von Braun, Holzautos, der V2, Autobahnen. Alles, was ein Roman braucht. Am Mittwoch, dem 24. April, möchte der Autor sein Buch im Kaffee Burger vorstellen.

„Trabanten": Buchvorstellung und Lesung von Falko Hennig, am 24. April um 20 Uhr im Kaffee Burger, Torstr. 60, Mitte

projektion

Fotos der verschiedensten Genres – Porträts, Landschaften und Straßenansichten – und darüber hinaus Diaprojektionen und Videoinstallationen zeigen die Fotostudenten von Jörn Vanhöfen in der Kreuzberger Galerie Pozzo Pozozza. Das ist zudem ein spektakulärer Ort: die tief unter der Erde gelegenen Räumlichkeiten einer ehemaligen Schnapsfabrik.

Fotoausstellung, von 20. April bis 19. Mai in der Galerie Pozzo Pozozza, Katzbachstr. 19, Kreuzberg, geöffnet Do 16-20, Sa 14-20 und So 14-18 Uhr

operation

Gummifetischisten werden an diesen Fotos keine Freude habe: Die eng anliegenden Latexhandschuhe, die Timo Nasseri in seiner Serie OP-Felder zeigt, sind blutverschmiert. Die Chirurgenhände hat der Fotograf in kurzen Momenten der Untätigkeit eingefangen. Im blauen Hintergrund, vor dem die grausigen Hände zu sehen sind, sehen die Ausstellungsmacher gar etwas Sakrales.

Timo Nasseri: „OP-Felder", noch bis zum 18. Mai bei ABEL – Raum für Neue Kunst in der Sophienstr. 18, Mitte, geöffnet Mi bis Sa von 14 bis 19 Uhr

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