Ausgabe 04 - 2002 berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Musik für die Massen

Elektronische Erzählungen

Radikale Musik läßt sich durch Konzepte wie Komplexität, Disharmonien, Minimalismus oder Krachigkeit umsetzen, aber auch durch das Hervorrufen extremer Aufmerksamkeit beim Hören. 1999 initiierte der Bayerische Rundfunk (BR) in Berlin das Medienkunstfestival Intermedium. Das Festival, das dieses Jahr in der zweiten Auflage am ZKM in Karlsruhe stattfand, versteht sich als Schnittstelle von Hörspiel, Performance, Klangkunst und elektronischer Musik. Seit zwei Jahren veröffentlicht das gleichnamige Label Intermedium ­ in enger Zusammenarbeit mit der Hörspielabteilung des BR ­ Musik und Hörstücke, die dieser Thematik entsprechen. Als ein Überblick über die bisherige Arbeit ist nun intermedium from one2two herausgekommen. In verschiedenen Projekten treffen dabei Musiker wie Kid 606 oder DJ Spooky auf Sprecher wie Jenniffer Minetti oder Thomas Meinecke, der gemeinsam mit Console auch als Musiker noch ein Stück eingespielt hat. Während die erste der beiden CDs den Schwerpunkt auf elektronische Musik legt und nur vereinzelte Sprachsamples auftauchen, stehen sich auf der zweiten CD beide Kunstformen gleichberechtigt gegenüber. Musik ist mal Mittelpunkt und dann „nur" akustischer Hintergrund. Durch den Wechsel von Hörstück zu ­ elektronischer ­ Musik, verweigert sich der Tonträger dem einfachen Nur-nebenbei-Hören. Ein Grund, daß die CDs von Intermedium sowohl im Buch- als auch im Musikhandel vertrieben werden. So spielt es in der Tat keine Rolle, unter welchen Vorzeichen ­ Hörbuch oder Musik ­ man sich diesen Aufnahmen nähert, die Stücke verweisen immer auf eine weitere Ebene.

Weniger konzeptionell, aber gleichfalls als Vertreter einer Schnittmengen-Logik kann man den aus Los Angeles stammenden Daedelus verstehen. Mit Sachverstand eines in klassischer Musik geschulten Musikers, experimentiert Daedelus auf Intervention (Plug Research) in elektronischen Gefilden. Vor einer insgesamt fast schon romantischen Atmosphäre verschmilzt er einige Wortsamples und Harmonien, die an die goldene Zeit der orchestralen Filmmusik in Hollywood erinnern. Herausgekommen ist ein extrem offenes und freundliches Album, das zwischen Swing und verspielter Elektronik pendelt.

Noch am ehesten der gewohnten experimentellen elektronischen Form verbunden, kreiert der Franzose Olivier Lamm mit Snow Party (Active Suspension) eine Art fragmentierte Popmusik. Immer wieder tauchen kleine Melodien auf, die irgendwo zwischen Kinderkarussell und Gameboy-Soundtrack liegen. Im Regelfall sind die von Lamm verwendeten Samples so kurz und zerstückelt, daß nur die permanente Wiederholung der Fragmente einen Zusammenhang schafft. Begleitet wird dieses melodiöse Puzzle von knarzender und klickender Elektronik. Das ist alles nicht neu, aber durchaus geschmackvoll zusammengestellt.

Marcus Peter

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  Ausgabe 04 - 2002