Ausgabe 04 - 2002 berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Blankoscheck für die Verkehrsbetriebe

Das Semesterticket ­ ein attraktives Angebot für wen?

Nachdem sich im November 2001 die TU-Studenten mehrheitlich für die Einführung des ­ von der Studenteninitiative Semtix mit den Berliner Verkehrsunternehmen ausgehandelten ­ Semestertickets ausgesprochen hatten, entschied sich Anfang diesen Jahres mit der FU auch die zweite große Universität Berlins für das allseits gepriesene Ticket. Senator Peter Strieder jubilierte: „Beispiel macht Schule. Ich freue mich". Und palaverte fröhlich darüber, daß all die jungen Menschen (an der FU 40000) jetzt von den wunderbaren Angeboten der Verkehrsbetriebe überzeugt werden könnten.

Das Semesterticket-Angebot ist auf den ersten Blick gar kein schlechtes: Der Sechs-Monate-Fahrschein gilt für die Zonen ABC, bei freier Mitnahme eines Fahrrads, und kostet 109 Euro (plus drei Euro für den Sozialfonds) ­ das bedeutet, die Studenten müssen nur mehr rund 18,50 Euro monatlich statt wie bisher 37 Euro für ein ermäßigtes Ticket zahlen.

Die Mängel des Angebots offenbaren sich gleichwohl auf den zweiten Blick. So besteht ­ mit nur wenigen Ausnahmen ­ eine Zahlungspflicht für alle Studierenden, was für diejenigen, die ein solches Ticket nicht benötigen (Fußgänger, Radfahrer), praktisch einer zusätzlichen Studiengebühr gleichkommt. Denn gerade das Radfahren ist ja nicht nur eine ökologische, sondern auch eine unschlagbar billige Beförderungsvariante, mit dem selbst das günstigste Fahrscheinangebot nicht mithalten kann. Zwar kann in sogenannten Härtefällen ein Zuschuß aus erwähntem Sozialfonds beantragt werden, aber die Höhe dieser Zuzahlungen ist unklar ­ sie ist von der Gesamtzahl der bewilligten Anträge abhängig, will heißen: Je mehr Studenten einen Zuschuß erhalten, desto geringer wird der Betrag für den Einzelnen.

Und das größte Manko: Die Verkehrsbetriebe behielten sich in dem Vertrag eine Preiserhöhung nach einem Semester vor. Mit der Zustimmung zum Semesterticket wird BVG, S-Bahn und VBB also ein Blankoscheck ausgestellt, auf daß sie willkürlich am Preis für den Fahrschein herumschrauben können: ein wirklich attraktives Angebot für die Verkehrsbetriebe.

Senator Strieder hofft nun, daß auch die Studenten der Humboldt-Uni der Einführung des Semestertickets zustimmen, wohl um BVG, S-Bahn usw. in den Genuß zwar keiner neuen Fahrgäste, dafür aber vieler großmütiger Spender zu bringen.

Gertrude Schildbach

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