Ausgabe 04 - 2002 berliner stadtzeitung
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Die Bahn will im Fernverkehr keine Fahrräder mehr mitnehmen

Nachdem die Deutsche Bahn in den letzten Jahren schon munter an ihren günstigen Angeboten wie BahnCard, Wochenendticket usw. herumdokterte ­ solange, bis es keine günstigen Angebote mehr waren, kündigte sie voriges Jahr auch noch an, sie beabsichtige, die Mitnahme von Fahrrädern im Fernverkehr einzustellen und den Fahrradtransport nur noch im Nahverkehr zuzulassen: ein merkwürdiges Vorhaben mit eklatanten Folgen für den Radtourismus. Zudem verwunderlich, daß die Bahn solcherart freiwillig auf eine bestimmte Klientel von Fahrgästen verzichtet, gerade wenn man bedenkt, daß der Radtourismus der am stärksten wachsende Teilmarkt im deutschen wie im internationalen Tourismus ist. Fragt sich, was und wen die Bahn eigentlich überhaupt noch transportieren möchte: Am Ende will sie vielleicht auch noch die Fahrgäste entsorgen. Verschiedene Umweltverbände kritisierten die Pläne der Bahn massiv und forderten ein „integriertes Mobilitätsangebot unter Einschluß des Fahrrads". Im folgenden zitieren wir auszugsweise aus einer Entschließung der Umweltverbände, die im März auch den DB-Offiziellen übergeben wurde.

Nachdem die Bahn ­ vor allem im InterRegio und in den Steuerwagen der ICs systematisch Fahrradabteile eingeführt hatte, ist der Marktanteil der Bahn als Zubringer im Vor- und Nachtransport deutlich gestiegen. Der Ausstieg aus der Fahrradmitnahme im Fernverkehr würde interessante Marktanteile kosten.

Fahrradtourismus hat große Reiseweiten und braucht daher den Fernverkehr. Das Argument, der Fahrradtransport werde im Nahverkehr weiter ermöglicht, verkennt die Mobilitätsstrukturen im Fahrradtourismus. Die Anreiselängen im innerdeutschen Fahrradtourismus liegen im Schnitt zwischen 200 und 300 km, im internationalen zwischen 400 und 600 km. Zieht man dies in Rechnung, ist die Nutzung des Nahverkehrs völlig unattraktiv, weil das Ziel nur mit mehrfachem Umsteigen und in überhaupt nicht zum Auto konkurrenzfähigen Reisezeiten erreicht werden kann.

Die Gründe für den Ausstieg aus der Fahrradmitnahme sind nicht zwingend. Dabei verkennen wir nicht die derzeitig auftretenden Schwierigkeiten bei der Fahrradmitnahme, halten diese aber für lösbar: Das Ein- und Aus-Checken von größeren Gruppen allgemein kann wegen der engen Türen und kleinen Manövrierflächen im Fahrzeug zu Verspätungen führen. Ein Problem für Radreisende sind außerdem oft Informationsmängel, z.B. unzureichende Wagenstandsanzeiger oder die bei Neulackierung wegfallenden Fahrradsymbole neben den Türen.

Ohnehin sind die schmalen Türen bei den ICs die verspätungsträchtigste Schwachstelle, weil der Fahrgastwechsel unnötig lange dauert, zumal, wenn Fahrgäste Gepäck haben. Große Türen schützen den Fernverkehr vor Verspätungen. Durch eine optimierte Türgröße und eine bessere Anordnung der Fahrradständer im Fahrradabteil läßt sich der Fahrradtransport problemlos integrieren.

Ohne eine starke Antwort für bequemen Transport von größeren Gepäckvolumina, wozu auch Fahrräder gehören, wird die Bahn gerade im Urlaubsreiseverkehr nicht als ernstzunehmende Konkurrenz zum Auto samt Kofferraum und Dachgepäckträger wahrgenommen. Eine für universellen Gepäcktransport einschließlich Fahrrädern, Kofferkulis, Rollstühlen sowie Kinderwagen ertüchtigte Bahn jedoch kann dem PKW wieder Marktanteile abnehmen und sich als universeller Carrier präsentieren.

Der gesamte Text des Papiers der Umweltverbände ist erschienen in:
InformationsDienst Verkehr IDV Nr. 70 vom März 2002, erhältlich bei UMKEHR e.V., Exerzierstr. 20, 13357 Berlin, gegen 4,50 Euro in Briefmarken

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