Ausgabe 03 - 2002 berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Kurzkultur

neue musik

Vor 25 Jahren erschien im Münchner Verlag text + kritik der erste Band der „Musik-Konzepte". Jedes Heft konzentriert sich seither monographisch auf einen Komponisten, von Giovanni Gabrieli bis Helmut Lachenmann. Die Herausgeber Heinz-Klaus Metzger und Rainer Riehn fühlen sich einem Musikdenken im Geiste Adornos verpflichtet, und so sind die Hefte nach wie vor Forum für einen kritischen Diskurs über die Musik der Vergangenheit und Gegenwart ­ in letzter Zeit hauptsächlich der Vergangenheit. Denn schon lange ist kein „Musik-Konzepte"-Band mehr über einen lebenden Tonsetzer erschienen. Ob es keine würdigen Kandidaten mehr gibt? Am 24. März werden die „Musik-Konzepte" mit einer Matinée in der Akademie der Künste gewürdigt. Den musikalischen Rahmen setzt der Pianist Herbert Henck, ein Spezialist für neue Musik.

„25 Jahre Musik-Konzepte", am 24. März um 11.30 Uhr in der Akademie der Künste, Hanseatenweg 10, Tiergarten

neuer stil

Wer den „acoustic moon club" noch nicht kennt, hat am 27. März Gelegenheit, sich einen Eindruck über die musikalische Spannbreite der Reihe zu verschaffen. Der Club, der jeden ersten und letzten Mittwoch im Schokoladen zu Gast ist, verweigert sich gängigen musikalischen Stilen und versteht sich stattdessen als „Forum für interessante Musik". Nicht ganz zu Unrecht, wenn man den sehr schönen Sampler acoustic moon zum Maßstab nimmt, der an diesem Abend vorgestellt wird.

„acoustic moon club", am 27. März um 20 Uhr im Schokoladen, Ackerstraße 169/170, Mitte, www.acousticmoonclub.com

neue geschichten

Jan de Olieslagers und Professor Braun heißen die beiden verwirrten Protagonisten des neuen Buches von Jörn Luther und Frank Willmann: Die Idioten, das sie am 1. April in der Restauration Walden vorstellen. Ganz vorzüglich verwirrt benehmen sich die beiden Buchhelden denn auch, sie irrlichtern durch die halbe Welt: Rom, Sansibar, New York, Weimar, Haiti, halten sich zwischenzeitlich für die Dichter J. Luther und F. Willmann, werden Opfer einer obskuren Anschlagserie und landen zuletzt in Berlin-Prenzlauer Berg, im Lokal „Skarabäus" , dem Dauertagungsort einer ebenfalls hochverwirrten Gesellschaft von Schriftstellern, Pseudorevolutionären, rechtschaffenen Trinkern: eine chaotische Parodie, die stilistisch durch Sprache, Metasprache, falsche Sprache und was nicht alles kaspert.

„Die Idioten", Lesung von Jörn Luther und Frank Willmann, am 1. April um 21 Uhr im Walden, Choriner Straße 35, Prenzlauer Berg

neue mode

Ganz und gar nicht anachronistisch, sondern vielmehr modisch bis zum Geht-nicht-Mehr ist das Ausstellungsprojekt des schwedischen Künstlers Lars Nilsson, der immerhin die avancierte Gender-Theorie hinter sich weiß. Im Magasin 3 der Stockholmer Kunsthalle präsentiert er ein autobiographisches Projekt, das er seit 1994 verfolgt: Es geht in den neun Installationen, Bildern und einer Videoinstallation um Sex, surrealistische Kunst, um die „dunkelsten Seiten der menschlichen Natur".

Lars Nilsson, noch bis zum 9. Juni im Magasin 3, Stockholm Konsthall, Frihamnen, S-11556 Stockholm, www.magasin3.com

alter hut

Landschaftsmalerei, das mutet heute doch einigermaßen anachronistisch an. Ulrich Diezmann läßt sich davon nicht beirren. Wenngleich sein vorherrschendes Motiv, natürlich in Cézanne-Nachfolge, „der Berg" ist, will er von der amerikanischen Neoavantgarde die Lektion der „Farbflächenmalerei" gelernt haben. Der Kunsthistoriker Matheos Pontikos sieht in Diezmanns Bildern „visionäre Synthesen", einen Diskurs gar über nicht weniger als „Bildlichkeit heute".

„Ulrich Diezmann: Landschaften", noch bis zum 19. April in der Galerie im Turm, Frankfurter Tor 1, Friedrichshain, geöffnet Di bis Sa von 13 bis 18 Uhr, am Do von 10 bis 16 Uhr

alte säcke

Ostalgisch und doch gleichzeitig zukunftsweisend will ein Treffen der „liedermacher und freunde deutsch- und sonst friedenssprachigen qualitätsliedguts" sein. Wie das gehen soll? Am Karfreitag lädt man unter dem Motto „alte säcke ­ neue lieder" ins Café Garbáty in Pankow. Ein „Haus der jungen Talente" soll das werden in Anspielung auf ein „legendäres Kulturhaus" in der DDR, das „im ergebnis der abschaffung der demokratie des 89er herbstes in deutsch-nordost" kaputtgemacht worden sei.

E„alte säcke – neue lieder" am 29. März im Café Garbáty, Pankow, www.lieder.profi24.org

alte geschichten

Der vor drei Jahren verstorbene Schriftsteller Johannes Bobrowski hatte seinen Blick immer nach Osten gerichtet: ins Baltikum, in die ehemals deutschen Ostgebiete. Mit Ostpreußen und überhaupt mit den „verlorenen Gebieten" hat es auch der Dokumentarist Volker Koepp. Zuletzt war er an die Kurische Nehrung gepilgert. Im Rahmen der Reihe „Bobrowskis Sarmatien im Film", parallel zu einem Bobrowski-Symposion, ist nun Koepps Kalte Heimat wieder einmal zu sehen ­ in Anwesenheit des Regisseurs. Außerdem zu sehen: die DEFA-Produktion Levins Mühle und der litauische Spielfilm Drei Tage.

„Bobrowskis Sarmatien im Film", vom 5. bis zum 7. April im Filmkunsthaus Babylon, Rosa-Luxemburg-Straße 30, Mitte

keine geschichten

Im zeitgenössischen Tanz, so konstatiert die Frankfurter Theaterwissenschaftlerin Pirkko Husemann, werde immer weniger getanzt. Das mag man begrüßen oder bedauern ­ wir wissen jedenfalls längst, daß auch eine Unterlassung als ästhetisches Statemant ernstgenommen werden muß. Husemanns Vortrag „Nichttanz zwischen Negation und Negativität", am 17. März in der Tanzfabrik, haben wir jedenfalls verpaßt, und werden jetzt auch nicht mehr erfahren, wie postmoderner und zeitgenössischer Tanz sich unterscheiden.

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