Ausgabe 03 - 2002 berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Helmut Eisendle

Nun, Politik und Literatur. Ein dauerndes Thema. Früher wie heute ist die aktuelle literarische Reaktion auf politische Vorkommnisse eine Ausnahme, früher war es ein Zwang oder eine Reaktion von einer höheren Warte mit ideologischem Hintergrund. Und in der Literatur selbst fanden leichte Positionskämpfe oder Definitionsstreitereien statt, hier die Realisten, dort die Gamsbart-Lyriker oder Phantasten. Das hat sich mehr oder weniger relativiert. Literatur als politischer Akt ist entzaubert worden. Vielleicht sind die Zwerenz oder Scharangs auch alt geworden.

Unabhängig von dieser Replik läßt sich die Frage, was an Literatur politisch ist, doch stellen. Ob es der Bestseller Opernball von Haslinger ist oder mein neues Buch bei Residenz: Gut und Böse sind Vorurteile der Götter, Politisches läßt sich anders definieren und nicht als parteipolitische Stellungnahme auf irgendein Parlamentsgeschehen oder die Identifikation mit der Arbeiter- oder Arbeitslosenklasse.

Zumindest die neue Regierung von Blau und Schwarz hat hier in Österreich Stellungnahmen von literarischer Seite hervorgebracht, die sowohl von der Quantität, als auch von der Qualität beachtlich waren. Daß diese Äußerungen nicht öffentlich sind, liegt einfach an der inferioren Situation der österreichischen Presse. Irgendwann vor '68 hat Pier Paolo Pasolini sich auf Seite Drei der bürgerlichen Tageszeitung Corriere della Sera äußern können. Irgendwann hat es das Neue Forum gegeben, irgendwann war das Wespennest eine literarische Zeitschrift für Politik und Basis-Literatur. Irgendwann früher war alles anders. Gut.

Ich habe anläßlich der Wahl in Österreich im Jahr 2000 nicht nur das genannte Buch zu schreiben begonnen, sondern auch unserem Parlamentspräsidenten Dr. Fischer einen Aufsatz in Form eines Briefes geschrieben. Das hat zumindest bewirkt, daß er mich angerufen hat und sich über meine Gedanken wohlwollend und erstaunt geäußert hat. Daß daraus vielleicht eine Anthologie hätte entstehen können, ist am Geld (rund 20000 Euro für Autorenhonorare) gescheitert, das ich von der Opposition, von der Arbeiterkammer oder Gewerkschaft gefordert habe.

Helmut Eisendle, geb. 1939, lebt in Wien. Jüngste Veröffentlichung: „Gut und böse sind Vorurteile der Götter. Ein Gespräch" (Residenz Verlag, Salzburg 2002).

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