Ausgabe 03 - 2002 | berliner stadtzeitung scheinschlag |
|
|
|
|
|
||||||
|
Regenbogen über dem HöschwerkDas Ruhrgebiet als Zustand: Eine Dokumentation von Gunnar EmmerichDer Titel der Ausstellung ist eine pathetische Beschwörung: An der Ruhr liegt die Kraft". Doch welche Kraft? Die Industriegeschichte der Region, gerne als größte Stadt Deutschlands" apostrophiert, ist im wesentlichen abgeschlossen. Die Ruhr-Großstadt freilich ist Wunschdenken größenwahnsinniger Lokalpolitiker; man kennt diese Species auch an der Spree. Zwar summieren sich in der Region einige Millionen, doch die Provinzstädte, aus denen sich das Ruhrgebiet zusammensetzt, stehen mit ihrer Kirchturmpolitik der Ausnutzung selbst der naheliegendsten Synergieeffekte entgegen. Wo alles Leben einmal erloschen ist, dort kann die ästhetische Kontemplation in aller Ruhe beginnen. Das galt früher für Burgruinen und gilt heute für die Relikte des Industriezeitalters. Der Fotograf Gunnar Emmerich feiert in seinen Bildern nun allerdings nicht die Erhabenheit der Kraftzentralen und Eisengießereien; er zeigt Industrie eingebettet in den Lebensraum der Vorstädte. Wir sehen Spielplätze und Einfamilienhäuser, Kleingärten, ein SPD-Fest und einen Türkenmarkt" im Dortmunder Norden, und auch der Dortmunder Nordfriedhof ist keine Ausnahme: Immer rücken Fördertürme und Gasometer ins Bild. Diese Absurdität des Nebeneinanders" hat den 1971 in Halle geborenen Fotografen scheinbar in erster Linie interessiert, und er hat dieses Motiv in seiner Ausstellung vielleicht etwas überstrapaziert. Emmerich zeigt aber auch die Effekte des vielbeschworenen Wandels": eine ästhetizistisch in rotes Licht getauchte Zeche in Essen, eine Fußballausstellung im Oberhausener Gasometer, ein Konzert in der Bochumer Jahrhunderthalle; dank Gérard Mortier und seiner mit vielen Vorschußlorbeeren bedachten Ruhrtriennale" wird es bald noch viel mehr Orchesterkonzerte in akustisch ungeeigneten Hallen geben. Foto: Gunnar Emmerich Verläßt man die Fotogalerie am Helsingforser Platz, so rücken die Friedrichshainer Industriebrachen in den Blick. Ein Bewußtsein für den Denkmalcharakter dieser Anlagen ist im nicht minder deindustrialisierten Berlin jedoch kaum vorhanden. Was die Umnutzungskonzepte betrifft, ist man hier aber möglicherweise weiter: Die Kultur und die sich gerade in Friedrichshain immer penetranter wichtigmachende Medienindustrie kann gar nicht alles in Beschlag nehmen, und so bleibt immerhin Raum für Sexparties. Peter Stirner Gunnar Emmerich: An der Ruhr liegt die Kraft", noch bis zum 12. April in der Fotogalerie Friedrichshain, Helsingforser Platz 1, geöffnet Di bis Sa von 13 bis 18 Uhr, am Do von 10 bis 18 Uhr |
|||||||||
|
||||||||||
Ausgabe 03 - 2002 | ||||||||||