Ausgabe 03 - 2002 berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Parlamentarier mit dem Arsch an der Wand

Millionen-Malaktion für Bundestagsneubauten

Wer noch nicht wußte, was ein Abgeordneter so treibt, wenn er sich in etwelchen ihm „für sein Wirken zum Wohle des Volkes" zugedachten Häusern befindet, weiß es jetzt: Er lungert am liebsten in den Ecken der vom Volk alimentierten Prachtbauten herum und scheuert sich genüßlich das Hinterteil am Gemäuer.

Nichts anderes können die kürzlich aufgekommenen Klagen mehrerer Bundestagsabgeordneter bedeuten: Sie monierten, ihre Kleider seien beim Berühren der Betonwände im eigens für sie errichteten Paul-Löbe-Haus verschmutzt worden. Da die Bundestags-Baukommission umgehend darüber beriet, deutet alles darauf hin, daß es sich um ein wirklich ernstzunehmendes Problem handelt. Scharen von verdreckten Parlamentariern müssen den Aufstand geprobt, der Kommission die Türen eingerannt haben, bis diese endlich ein Einsehen hatte und ihnen die Behebung des unhaltbaren Zustands versprach.

Laut Bundesbaugesellschaft Berlin (BBB) könnte das Problem abgestellt werden, wenn auf die sogenannten Sichtbetonflächen eine Lasur aufgebracht würde. Die Kosten für eine solche Lasur im Löbe-Haus und im noch nicht fertiggestellten Marie-Elisabeth-Lüders-Haus: 724000 Euro. So weit, so gut. Hinzu kommt jedoch, daß der Sichtbeton an der Fassade des Lüders-Haus fleckig ist, weshalb man beabsichtigt, diese ebenfalls mit einem Neuanstrich zu versehen. Und damit die beiden Häuser letztlich nicht unterschiedlich aussehen, soll auch noch die Löbe-Haus-Fassade frisch gestrichen werden. Es wäre ja auch undenkbar: Bundestagsgebäude mit ungleichem äußeren Erscheinungsbild! Das könnte fatale Folgen haben: Womöglich würde der Bundestagsabgeordnete „sein" Gebäude nicht erkennen, daran vorbeilaufen, sich verirren, unmoralischen Mädchen in die Arme laufen, skrupellosen Abgeordneten-Kidnappern zum Opfer fallen und was nicht noch alles (Odysseus!). Die Kosten für die Fassadenlasur würden 572000 Euro betragen, der Gesamtbetrag für die Malaktion 1,3 Millionen Euro. Wir sind bereit, diese Summe zu zahlen: Denn für unsere Bundeseckensteher tun wir einfach alles!?

Gertrude Schildbach

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  Ausgabe 03 - 2002