Ausgabe 02 - 2002 berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Berlin 1902

21. Februar bis 20. März

Das starke Anwachsen des Berliner Straßenverkehrs und besonders seine Sicherheit sorgt schon seit vielen Jahren für mißbilligendes Kopfschütteln im Abgeordnetenhaus, so auch am 26. Februar im preußischen Landtag bei der Beratung des Berliner Polizei-Etats. Das Mitglied des Reichstages und Abgeordnetenhauses Herr Brömel will dem Schutzmann des Berliner Straßendienstes eine besondere Erziehung angedeihen lassen, die ihn zu außerordentlichen Leistungen beim Bergen furchtsamer oder gefährdeter Passanten befähigen soll. Der Minister des Innern beklagt, daß von zarten und nervösen Frauen infolge einer unbegreiflichen Scheu vor den Hütern des Gesetzes deren Hilfe bei Passieren des Strassendammes an gefährlichen Punkten viel zu wenig in Anspruch genommen werde. Herr von Hammerstein führt in Bezug auf den Straßenbahnverkehr eine Stellungnahme des Polizeipräsidenten gegen das Aufspringen und Abspringen während der Fahrt sowie die Vorschriften zur Fahrgeschwindigkeit an. Als Kreuz aller Kreuze sieht der Minister den Potsdamer Platz an, weiß aber zwei Wege, die hier Wandel schaffen können. Jedoch ist der eine gar nicht, der andere nur sehr schwer und langsam gangbar. Man könnte den Straßenbahn-Verkehr ganz aus dem Zuge der Potsdamer und Leipziger Strasse herausnehmen, das sei aber unmöglich. So müsse man an den weiteren Ausbau des Netzes der Untergrund- und Unterpflasterbahnen denken. Doch taugt London dabei nicht zur Exemplificierung, dort hat es festen Boden, in Berlin dagegen sitzt der Untergrund-Techniker alle paar Meter im Wasser. Mit Brücken oder Unterführungen für die Passanten an den Hauptkreuzungspunkten hat man anderwärts nur negative Erfolge gehabt: Das Publikum wählt doch stets den kürzesten Weg. Gegen Brömels Vorschlag einer lebenslänglichen Anstellung der Berliner Schutzmänner spricht sich der Abgeordnete Staudy aus, in Berlin sei die Disziplin viel schwerer aufrecht zu erhalten, als irgendwo sonst. Deshalb benötigt die Behörde stärkste Mittel, wie unter anderem auch die Möglichkeit unverzüglicher Dienstentlassung.

Der Grundbesitzerverein der Prenzlauer Thor-Stadttheile nimmt zu dem vom „Verein der Badeanstalts-Inhaber von Berlin und den Vororten" an den Magistrat und Stadtverordnetenversammlung in jedem Jahr wiederholten Forderungen „Preisermäßigung der Wannenbäder unter Fortfall der Abonnements" Stellung. Nach den sachlichen Ausführungen des Vorstandsmitlgiedes Herrn Rentier Schulze wird folgende Resolution gefaßt: „Der Grundbesitzerverein der Prenzlauer Thor-Stadttheile begrüßt die Einrichtung neuer städtischer Volksbadeanstalten als eine große Wohlthat für die weniger bemittelte Bevölkerung. Nur möchte er dabei berücksichtigt wissen, daß der Schwerpunkt auf das Schwimmbad und das Brausebad gelegt wird, und daß alle Bäder einen möglichst billigen Einheitspreis oder umsonst verabfolgt werden. In öffentlichen Volksbadeanstalten vornehme, theuere Wannenbäder mit polirten Nikkelwannen oder für besondere Zwekke gar englische Fayencewannen, wie sie im Volksbad Oderberger Straße zu finden sind, einzurichten, hält der Verein für ganz verfehlt mit folgender Begründung: 1. Für das reichere Publikum, welches diese theueren Bäder benutzt, ist die Fürsorge der Stadt ganz überflüssig. Diese Kreise können und werden das Bedürfniß zu baden in den vielen eleganten Privatbadeanstalten selbst befriedigen. 2. Eine größere Anzahl unserer Mitbürger und Steuerzahler, welche unter Aufwendung großer Opfer vielfach recht schmucke und saubere Badeanstalten eingerichtet haben, werden durch ganz unnöthige, überflüssige und drückende Concurrenz der eigenen Stadtverwaltung in ihrer Existenz schwer geschädigt, wenn nicht ruiniert, was eine umsichtige Gemeindeverwaltung sicher zu vermeiden suchen muß."

Die Straßenkämpfe der Charlottenburger Jugend in der Wall- und Rosinenstraße nehmen einen solchen Umfang an, daß sie in der Berliner Straße den Betrieb der elektrischen Bahn stören. Auf beiden Seiten wird mit großer Erbitterung gekämpft, daß es ohne ernste Verletzungen abgeht, ist ein Wunder, denn als Waffen dienen Eisenstangen und eichene Knüppel. Als Anführer sind bereits „Bäcker-Ede" auf der einen und „China-Brüning" und der „steife Gottlieb" auf der anderen Seite ermittelt.

Falko Hennig

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