Ausgabe 02 - 2002 berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Singender Räuberhauptmann mit Lockenperücke

Manfred Krug, wie er einmal war

In den siebziger Jahren lief im Fernsehen ein mehrteiliger DEFA-Film über den legendären sächsischen Räuberhauptmann Karl Stülpner, in der Hauptrolle Manfred Krug mit einer eindrucksvollen Lockenperücke auf dem Kopf. Stülpner fand ich großartig, Manfred Krug fand ich großartig.

Bis dahin kannte ich Krug allerdings weniger als Schauspieler denn als Sänger: Im elterlichen Plattenschrank standen Nr. 1, 2 und 3 der von ihm mit dem Jazzmusiker Günther Fischer Anfang der Siebziger aufgenommenen LPs – merkwürdige Machwerke, Schlager mit kräftigen Jazzeinschlägen, überschäumende Capriccios, die sich selbst nicht ernst nahmen. Sie begeisterten mich, und das, obwohl ich damals an Musik nur ein äußerst geringes Interesse besaß. Krug singt da manch veritablen Schwachsinn („Und du sagtest: ´Du!',/ und er sei eng, dein neuer Schuh,/ wir tanzten barfuß Beat nach Walzern von Herrn Strauß"), aber er kräht, juchzt, brummt, lacht das mit einer vitalen Selbstverständlichkeit, die die Albernheit nicht leise kichernd versteckt, sondern dröhnend herauskehrt. Mit dem Ergebnis, daß man selbst nach ruhigeren, „besinnlicheren" Liedern sein schallendes Gelächter erwartet. Und Günther Fischers Musik schlägt ganz eigene Kapriolen dazu. Botschaft an den minderjährigen Hörer: Mach, was du willst! Und sei es Unfug! Hauptsache: laut! lachend!

Der Schauspieler Manfred Krug erwarb während seiner Zeit in der DDR ­ durch die Filme, in denen er bis zu seiner Ausreise 1977 mitwirkte ­ bald das Image des „anarchischen Draufgängers": eben weil er so war (Krug ist kein großer Mime, er spielte und spielt immer nur sich selbst). Die Lockenpracht jedoch, die er sich als Räuberhauptmann Stülpner überwarf, war das, was ihm bisher zu einem romantischen Helden fehlte ­ das Haar. So paßte schließlich alles: ein fröhlicher Tausendsassa, ein Heißsporn, der gegen die fiese Obrigkeit rebelliert, mit wundervollem Lockengestrüpp fürs Weibsvolk ­ und nicht zuletzt für heldenbedürftige Heranwachsende: Ein Glatzkopf hätte ja allzu sehr an den eigenen Vater erinnern können.

Der Autor als Manfred Krug in der Rolle des Räuberhauptmanns Stülpner. Foto: Archiv Abbiate

Der Stülpner-Film ist gewiß nicht der beste Film von Manfred Krug, er ist schlicht typisch für den DDR-Krug: Verwegen, chaotisch und dröhnend albern präsentiert sich der Held, ebenso stolpert die Handlung voran. Es gibt natürlich bessere Filme, Manfred Krug ist in ihnen jedoch gleich verwegen, chaotisch und nur manchmal etwas weniger albern. Manfred Krug eben. Der „anarchische Draufgänger", der er damals war.

Anläßlich des 65. Geburtstag von Manfred Krug zeigt das Filmkunsthaus Babylon jetzt eine Auswahl der Krug-Filme aus dieser Zeit: Nach der Spur der Steine, der schon am 13. Februar lief, zum Ende des Monats noch drei weitere Wunderwerke seines Schaffens. Da gibt es dann den jungen, den draufgängerischen Dröhnemanfred, den einzigartigen DDR-Krug zu besichtigen. Allerdings ohne Perücke.

Roland Abbiate

„Weite Straßen – Stille Liebe" am 25. Februar, „Fünf Patronenhülsen" am 27. Februar, „Beschreibung eines Sommers" am 28. Februar, jeweils 20 Uhr im Filmkunsthaus Babylon am Rosa-Luxemburg-Platz, Mitte

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