Ausgabe 02 - 2002 berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Keine Schwarz-Weiß-Malerei, kein Sentiment

Jan Hrebejk erzählt vom Leben im

besetzten Sudetenland

Wie macht man einen menschlichen Film ohne schmalztriefend zu menscheln? Diese Frage sollten sich alle Lasse Hallströms dieser Welt stellen und bei den tschechischen Filmemachern in die Lehre gehen ­ zum Beispiel bei Jan H`´rebejk: Sein Film Wir müssen zusammenhalten, der jetzt in die Kinos kommt, geht auf eine wahre Begebenheit zurück. Wir befinden uns in einer sudetendeutschen Kleinstadt des Jahres 1943. Die Stadt ist deutsch okkupiert. Es gibt Kollaborateure, einfache Leute und die Besatzer. Früher lebten hier einige angesehene jüdische Industrielle; sie wurden alle deportiert. Einem von ihnen, David, gelingt es, aus dem KZ zu fliehen und in seine Heimatstadt zurückzukehren. Er versteckt sich in seinem alten Haus und wird hier von dem ehemaligen Angestellten Josef erwischt. Da die Villa von Deutschen bezogen werden soll, entschließt Josef sich halbherzig, David bei sich zu Hause im Wandschrank vorübergehend zu verstecken; seine Frau Marie ist etwas hilfsbereiter. Damit kommen die Probleme in das geordnete Leben der beiden. Zum einen hängt in der Kammer eine Schweinehälfte zur Reserve, zum anderen gibt es den Freund Horst, der sie mit Mangelware von den Deutschen versorgt, aber auch gerne in anderer Leute Angelegenheiten schnüffelt. Als Sudetendeutscher ist Horst nicht gerade beliebt, außerdem schwärmt er für die Kriegstaktik der Deutschen und für Marie, die sich das solange gefallen läßt, wie ­ „Hände hoch" ­ Horst sie mit Wurst und dergleichen beglückt.

Das Ehepaar `´Ci`´zek hat nun zu tun, David zu versorgen und ihn geheimzuhalten. Gegen seine Überzeugung beginnt Josef sogar, für die Besatzer zu arbeiten, um jeden Verdacht von sich abzulenken. Den hat der schnüffelnde Horst nämlich. Als dieser plötzlich bei den beiden einen Nazi einquartieren will, muß eine Lösung gefunden werden: Marie behauptet, schwanger zu sein. Leider ist aber Josef zeugungsunfähig, eine nachweisliche Schwangerschaft muß her. Es gibt ja noch einen Mann im Haus ...

Man hilft sich gegenseitig, was auch sinngemäß dem Originaltitel Musime si pomahat entspricht. Was andere tränentriefend in Szene gesetzt hätten, kommt hier leicht daher. Wie machen die Tschechen das nur? Vielleicht ist es das Bewußtsein, das nichts und niemand auf der Welt nur schwarz oder weiß, gut oder böse ist ­ wissend, daß Lachen und Weinen enge Verwandte sind. So kommt es, daß der Zuschauer am Ende alle Figuren irgendwie ins Herz schliessen kann, und daß selbst die märchenhafte Auflösung der Geschichte nicht peinlich oder gar ärgerlich ist. Wir müssen zusammenhalten handelt von Leuten wie Du und Ich in merkwürdigen Umständen. Für die Erzählung dieser kleinen Geschichte hat der Regisseur schon einige internationale Preise eingeheimst und war 2002 für den Auslandsoscar nominiert.

Ingrid Beerbaum

„Wir müssen zusammenhalten", Regie: Jan Hrebejk, Drehbuch: Boleslav Polívka, Ana Sisková, ab 14. März in den Kinos

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