Ausgabe 02 - 2002 berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Zeitreise in die Vergangenheit

Historische Fotos aus dem Wedding

Schaut man sich alte Fotos oder Postkarten der verschiedenen Berliner Stadtteile an, so läßt der Vergleich der aktuellen, im Gedächtnis befindlichen Bilder mit den historischen Ansichten erahnen, daß das 20. Jahrhundert das Stadtbild Berlins weit mehr geprägt haben muß als all die Jahrhunderte zuvor. Dies gilt natürlich auch für den Wedding. Auf der einen Seite sorgte das rasante Entwicklungstempo im Industriezeitalter für die Ansiedlung von Fabriken und den Zuzug von Arbeitskräften in hoher Zahl, was die Schaffung der benötigten Infrastruktur erforderte. Auf der anderen Seite haben die Zerstörungen während des Zweiten Weltkriegs und der nachfolgende Wiederaufbau die Vorstellung einer stetig gewachsenen Stadtstruktur radikal ad absurdum geführt.

Städtebauliche Entwicklung ist hier vor allem als eine Folge von Zäsuren wahrzunehmen. Bei der Suche danach, wie es früher einmal ausgesehen hat, will der in der Reihe „Archivbilder" des Erfurter Sutton Verlages erschienene Band Wedding. Mitten in Berlin behilflich sein. Über 200 Fotos hat Ralf Schmiedecke zusammengetragen, ergänzt haben seine Sammlung einige Archive und Privatpersonen.

Vor dem Haus Prinzenallee 32 startete die Familie Schöppe in den 1960er Jahren zum Wochenendausflug in die Lüneberger Heide

Die Einleitung gibt einen kursorischen Überblick über die Geschichte des Weddings, von der ersten urkundlichen Erwähnung bis zur Eingliederung in den neuen Großbezirk Mitte. Angereichert wird diese mit kulturgeschichtlichen Informationen vor allem zu den letzten 150 Jahren; hier ist es schade, daß einiges, was eine nähere Betrachtung verdient hätte, nur genannt, aber nicht ausgeführt wird. Andererseits ist dieser Band eben als eine Art Bilderbuch konzipiert, und der Schwerpunkt liegt damit auf den Fotos.

Diese werden thematisch gruppiert dargeboten, bezogen auf konkrete Orte wie z. B. den Gesundbrunnen, oder verschiedene Bereiche des öffentlichen Lebens, sei es Verkehr oder Vergnügen. In den kurzen Bildtexten unter den Fotos sind noch reichlich Informationen über Ort und Zeit der Aufnahme hinaus verborgen, einiges aus der Einleitung wird auf diese Weise ergänzt, so erschließt sich der Wedding in seinen verschiedenen Facetten.

Häufig vermitteln die Bilder viel Beschaulichkeit, aus der steifen Haltung der darin posierenden Menschen läßt sich ablesen, daß die Fotos nicht zufällig oder unbemerkt von den FotograÞerten entstanden sind.

Lediglich der letzte Teil, der den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs, der Nachkriegszeit und dem Mauerbau gewidmet ist, ist zu grob in seiner Auswahl und zu eingeengt in seiner Perspektive, es spricht eine ideologische Tendenz heraus, die nicht so recht zu der ansonsten betont sachlich gehaltenen und bis auf eine Ausnahme nicht direkt auf politische Ereignisse rekurrienden Darstellung des Buches passen will.

Insgesamt ist dem Buch die Sympathie des Autors für diesen Stadtteil anzumerken. Der relativ hohe Preis wird es jedoch einigen Weddingern verunmöglichen, sich damit einen Zugang zur Vergangenheit zu erschließen.

Carola Köhler

Ralf Schmiedecke: Wedding. Mitten in Berlin, Die Reihe Archivbilder, Sutton Verlag: Erfurt 2002, 17,90 Euro.

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