Ausgabe 02 - 2002 berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Keine Green Card für Dumbo

Der Berliner Polizeielephant hat vorerst im Kinderbauernhof im Mauerpark Asyl gefunden

Die Vorgänge lassen tief blicken: Seit Wochen schon überschlägt sich eine Berliner Boulevardzeitung in einer hirnlosen Kampagne zur Rettung der Reiterstaffel der Berliner Polizei – und hat damit auch noch Erfolg. Demonstrationen wurden angezettelt, und unter der Leserschaft der selbsternannten „größten Zeitung Berlins" sind anscheinend genügend Idioten, um das eilig eingerichtete Spendenkonto innert kürzester Frist auf mehrere zehntausend Euro anschwellen zu lassen. Der Erhalt eines dieser Viecher kostet angeblich pro Tag fünf Euro. Mit Menschen, die das Geld nicht lieber für zwei Bier ausgeben, möchte man eigentlich lieber nichts zu tun haben; diese Mesalliance aus Tierliebe und Buckelei vor der Obrigkeit, sie ist schon ziemlich unappetitlich.

In der ganzen Aufregung um die berittenen Bullen droht der Fall Dumbos, des einzigen Berliner Polizeiele-phanten, unterzugehen. Kurz vor Drucklegung der Januarausgabe erreichte den scheinschlag die Nachricht vom Schicksal des aus Indien stammenden Tieres; wir konnten noch in letzter Minute einen Spendenaufruf schalten.

Dumbo war 1977 als Geschenk der indischen Regierung in das ummauerte Westberlin gekommen – ein Präsent, das man eigentlich lieber ausgeschlagen hätte, wie bei der Polizei zu erfahren ist. Doch vom Senat kam die Weisung, das Geschenk müsse unbedingt angenommen werden; die damals ventilierte Kompromißlösung, den Elephantenbullen an den Zoo weiterzureichen, zerschlug sich. Das eigens für Polizeieinsätze in Kalkutta ausgebildete Tier, hieß es, könne unmöglich mit seinen „zivilen" Artgenossen koexistieren. Andererseits war vor 25 Jahren „deutscher Herbst" und die westdeutsche Polizei gerade mit abenteuerlichen Aufrüstungsplänen befaßt. Dem einen oder anderen Polizeistrategen kam das Tier deshalb wohl gerade recht. Einquartiert war Dumbo bis vor kurzem in einem abgelegenen Gehöft in Lübars; man engagierte für ihn einen eigenen Pfleger, den man im Zoo abwarb.

Doch Westberlin war nicht Kalkutta, und als besonders gut einsetzbar erwies sich das Tier nicht. Wenn der Elephant aber dann doch mal auf einer 1. Mai-Demo in Kreuzberg auftauchte, waren das Aufsehen und die Panik immer groß. Wie eine Dampfwalze trampelte Dumbo alles nieder, was sich nicht rechtzeitig in Sicherheit bringen konnte; die zerdrückten Autos wurden dann regelmäßig den „autonomen Randalierern" in die Schuhe geschoben. Seit Mitte der achtziger Jahre wurde das Tier dann kaum noch eingesetzt ­ höchstens als Kinderattraktion auf Polizeifesten; Innensenator Schönbohm konnte sich mit seinem Vorschlag, Dumbo wenigstens für den 1. Mai zu reaktivieren, Ende der neunziger Jahre nicht durchsetzen.

Hört man sich bei alten Straßenkämpfern um, so wünschen sie den Polizeielephanten ohnehin zum Teufel. Die Entscheidung des Wowereit-Senats, das Tier ebenso wie die Reiterstaffel einzusparen, begrüßen sie.

Daß Berlin einen Polizeielephanten nicht wirklich braucht, wird kaum jemand bestreiten. Die näheren Einzelheiten aber, wie man sich des Tieres nun zu entledigen sucht, sind doch einigermaßen unschön. Irgendein Beamter in der Innenverwaltung hat herausgefunden, daß der Aufenthaltsstatus des indischen Tieres rechtlich nicht wasserdicht ist ­ daraus will man Dumbo nun einen Strick drehen.

Die Abschiebung Dumbos, die man natürlich nicht an die große Glocke hängen wollte, war schon beschlossene Sache, als die Pädagogin Eleonore K. aus Prenzlauer Berg auf sein Schicksal aufmerksam wurde. In einer Nacht-und-Nebelaktion, unterstützt von Dumbos Pfleger, wurde der Elephant dann Anfang Februar auf den Kinderbauernhof im Mauerpark gebracht, wo er vorerst geduldet wird; das Bezirksamt drückt ein Auge zu.

Die Kinder freilich haben den voluminösen Asylanten ins Herz geschlossen. „Zuerst hatte ich schon Angst vor dem Riesentier", meint die 4jährige Jasmin, „aber er ist eigentlich ganz lieb. Und er hat so einen großen Rüssel!"

Wie es mit Dumbo weitergehen soll, ist weiterhin unklar, eine artgerechte Haltung im Mauerpark ist natürlich nicht möglich. Ziel der scheinschlag-Spendenaktion ist es, dem alten Tier einen Lebensabend in Lübars zu ermöglichen.

Peter Stirner

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