Ausgabe 01 - 2002 berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Der Fehler als Prinzip

Auch der neue Senat hält am Geldvernichtungsprojekt Großflughafen fest

Wer geglaubt hatte, das umstrittene Großflughafenprojekt Berlin Brandenburg International (BBI) in Schönefeld werde bei einer Regierungsbeteiligung der Berliner PDS gekippt, sah sich getäuscht: Die PDS war während der Koalitionsverhandlungen eifrig bemüht, „Regierungsfähigkeit" zu beweisen, und das heißt in Berlin nichts anderes, als daß man zuvorderst seine Zustimmung für schwachsinnige Fehlplanungen von exorbitantem Ausmaß gibt, die vorhersehbar im größtmöglichen finanziellen Desaster enden. Also mutierte der Paulus zum Saulus und wurde vom oppositionellen Kritiker zum regierenden Befürworter eines Projekts, das allein schon in der mittlerweile zehnjährigen Planungsphase Milliarden verschlungen hat.

Der euphorische Glaube an „blühende Landschaften in Ostdeutschland" und die „Wiederauferstehung Berlins als Metropole" kurz nach der Wiedervereinigung waren die Voraussetzung für den BBI-Plan: die Phantasmagorie eines völlig überdimensionierten Airports mit der irrwitzigen Annahme von 60 Mio. Passagieren pro Jahr in spätestens zwei Dekaden (2000: 13 Mio.). 1996 entschieden sich die Länder Berlin und Brandenburg für einen Großflughafen in Schönefeld und ignorierten dabei geflissentlich das Ergebnis eines vorhergehenden Raumordnungsverfahrens, das Schönefeld als den ungeeignetsten Standort für ein solches Projekt bezeichnet hatte. Hernach übertrafen sich die Verantwortlichen gegenseitig an Inkompetenz: Fehleinschätzungen führten zu katastrophalen Fehlinvestitionen, so etwa beim Ankauf von Flächen für den Großflughafen, die sich im Nachhinein als unbrauchbar erwiesen – das Land Brandenburg zahlte dafür läppische 500 Mio. DM.

Die bisher entstandenen finanziellen Schäden sind enorm, sie würden jedoch von den Schäden, die bei einer Inbetriebnahme von Schönefeld als Großflughafen entstehen, übertroffen: Es wären dies nicht nur ökonomische, sondern auch ökologische Beeinträchtigungen, die allerdings wiederum ökonomische nach sich zögen. Im Wissen darum müßte sich die Berliner Politik endgültig von einem Großflughafen Schönefeld verabschieden, einfach weil er unbezahlbar ist.

Das Muster für die Fehlleistungen auf ökologischem Gebiet ist vorgegeben durch das grandios falsche Generalmuster BBI: Die zuständige Berlin Brandenburg Flughafen Holding GmbH (BBF) gab für die Untersuchung der ökologischen Folgen eines Großflughafens in Schönefeld verschiedene Gutachten in Auftrag. Ergebnis: Eigentlich passiert da nicht viel. Geht schon in Ordnung. Allerdings regten sich bald kritische Stimmen, die die Bewertungsgrundlagen, Berechnungsmethoden, schließlich die Ergebnisse rundweg in Frage stellten. Die BBF-Gutachten sind demgemäß als fehlerhaft und unvollständig zu beurteilen.

Laut einer Untersuchung des Umweltamtes Köpenick aus dem Jahr 2000 über die voraussichtliche Lärmbelästigung versuchten die BBFler etwa Schönefeld mit Flughäfen in nordeuropäischen Ländern zu vergleichen. Ein formidabler Humbug, da Schönefeld aufgrund seiner Lage und traditioneller Beziehungen eher von osteuropäischen Fluggesellschaften frequentiert wird. „Infolge der wirtschaftlichen Situation in den östlichen Ländern", schrieben die Beamten, „ist damit zu rechnen, daß auf längere Zeit noch ältere und damit lautere Flugzeuge" zum Einsatz kommen. Die Annahme einer falschen Grundsituation ließ die BBF-Gutachter zu dem irrigen Schluß kommen, alles sei halb so wild, und ­ wieder einmal ­ die Kosten des Projekts verkennen: denn je höher die Lärmbelästigung, desto höher auch die (vom Verursacher zu tragenden) Kosten für die entsprechende Lärmdämmung in den Häusern der Betroffenen. Ebenfalls keine Berücksichtigung in den BBF-Gutachten fand die bevorstehende Novellierung des Lärmschutzgesetzes, die einen weitergehenden Schutz der Bevölkerung vor Flugzeuglärm verspricht.

So setzen sich die Fehler und Versäumnisse, durch Ignoranz eigentlich kaum zu erklären, fort. Die Auswirkungen auf Luft und Klima, Tiere und Pflanzen, zu erwartende Schadstoffbelastungen werden im besten Falle unzureichend untersucht, im schlimmsten als vernachlässigenswerte Größen ganz unter den Tisch gekehrt.

Völlig außer Acht gelassen in den Gutachten wurde auch die Möglichkeit eines Flugzeugabsturzes im Gebiet von Treptow-Köpenick, was besonders fatale Folgen hätte: Immerhin könnte so durch die Verseuchung von Boden und Wasser bis zu ein Drittel der Berliner Trinkwasserversorgung lahmgelegt werden (weshalb die Lokale Agenda ein generelles Flugverbot über dem Bezirk empfiehlt).

1997 forderte der Bundestag die Bundesregierung auf, „Maßnahmen zur Reduzierung des Luftverkehrsaufkommens sowie zur Begrenzung von Schadstoffen zu ergreifen", im Sinne einer Verlagerung vom hochsubventionierten und gerade in höheren Sphären extrem umweltschädlichen Luftverkehr hin zum umweltfreundlichen Schienenverkehr. Das geschah damals übrigens auf Initiative der PDS.

Sabine Goes

Als Sondernummer zum Thema erschien in einer Extraausgabe von DER RABE RALF die Studie „10 Jahre Flughafenplanung in Berlin-Schönefeld" Studien-Gesellschaft Brandenburg-Berlin (SGBB). Restexemplare erhältlich für 1 Euro bei der RABE RALF-Redaktion, Prenzlauer Allee 230, 10405 Berlin, fon 44339147-0, fax -33

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