Ausgabe 01 - 2002 berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Gleiches Backrezept, kleinere Brötchen

Wende in der Stadtentwicklungspolitik, doch nicht aus Einsicht

Wer die PDS verurteilt, für Konformität oder Schwäche vor der SPD, mag sich zunächst fragen, was er von der PDS eigentlich erwartet hat. Man muß Gregor Gysi beipflichten, wenn er sagt, die Sozialisten seien nun einmal in einer Zeit gewählt worden, in der es nichts zu verteilen gibt. Kaum einer hat damit gerechnet, daß die PDS aus Scheiße Gold macht, noch daß sie soziale Utopien verwirklicht. Wenn auch keiner so recht weiß, wofür die PDS nun genau Hoffnungsträger sein soll, so selbstverständlich erwartet ihre Wählerschaft doch wenigstens eines von ihr: Daß sie den Osten der Stadt vertritt, dessen Stimme sich zum ersten Mal in einer Berliner Regierungskoalition widerspiegelt. Der Anstieg der PDS-Stimmen in einigen Ost-Bezirken auf über 50% bei der letzten Wahl dürfte deutlich genug gezeigt haben, daß in der Politik der westdominierten Altparteien und ihrem Umgang mit Ostberliner Realitäten irgendetwas im argen lag. Bezeichnenderweise wurde, dies aus ganz verschiedenen Richtungen als alarmierendes Zeichen gedeutet. Je nach kultureller Identität, entweder, weil das Mißverhältnis plötzlich so greifbar wurde oder aus einer tief verwurzelten Angst vor dem Osten, der irgendwie für kommunistische Gleichmacherei und barbarisches Slawentum steht.

Wer glaubte, auf dem Gebiet der Stadtentwicklung würden nun mit PDS-Beteiligung neue Weichen gestellt, sieht sich enttäuscht. Die Koalition einigte sich darauf, daß gespart wird, ideologisch aber alles beim alten bleibt. Das Planwerk Innenstadt, die politische Kampfansage an den modernen Städtebau überhaupt und das Erbe der DDR-Moderne im besonderen, ist weiterhin städtebauliche Richtschnur. Das Stadtentwicklungsressort bleibt in der Hand der SPD. Und um Hans Stimmanns politische Zukunft zur Streitfrage zu erheben, fehlte der PDS die Kraft. Dabei hat die rote Partei noch im letzten Jahr gefordert, das Amt des Senatsbaudirektors abzuschaffen und dabei durchblicken lassen, daß es um die Person Stimmann selbst ging. Denn dieser ist alles andere als eine integrative Figur. Er hat wesentlich dazu beigetragen, daß die Diskussion um die grundsätzliche Ausrichtung des Städtebaus zur emotional aufgeladenen Debatte eskalierte. Ein Konflikt, in dem es um mehr ging, als nur um Städtebau. Das wurde spätestens im Streit um die Durchsetzung des Planwerk Innenstadt an der Fischerinsel deutlich. Denn nicht nur die städtebaulichen Ensembles wurden zur Altlast erklärt, Stimmann wollte deren Bewohner, die sozial und kulturell durch die DDR geprägt sind, gleich mit auf den Müllhaufen der Stadtgeschichte befördern.

Durch seine „Definitionsansätze einer Berliner Identität" erhob er das diffuse Bild eines „neuen Stadtbürgers" zum künftigen Leitbild – wohlhabend, modern, mit Laptop und Handy, einer, der das Ambiente der Gründerzeitviertel liebt. Und einer, der „materiell an der Stadt" beteiligt ist, also ein Eigentümer, gerne auch ein Unternehmer. Diese sollten dann eine neue „Stadtbürgerge-sellschaft" bilden. Ganz selbstverständlich wurde dieses herbeihalluzinierte Wunschbild in direkten Kontrast zum DDR-Bürger gesetzt, der im Ostberliner Zentrum in einem Mietshaus lebt. Diese Ostberliner auf der Fischerinsel – die meisten übrigens PDS-Wähler – wurden zu lamentierenden Mietern „zwischen Gruppenfröhlichkeit und Dauerverbitterung", denen der Anspruch auf eine würdige Umgebung völlig fremd ist, zu „staatssozialistischen Implantaten", zum „Ossi-Zoo". Zu guter Letzt wurden alle Kritiker beleidigt, die auf der Anerkennung der DDR-Moderne als eigenständiger historischer Schicht bestanden. Dieselben, die die Hochhausplanung am Alexanderplatz kritisierten, weil sie die Identität des Platzes in einem Handstreich zerstöre und das ehemalige Tor zum Osten zu einem Wall gegen den Osten werden ließe.

Die Dimensionen der Auseinandersetzung reichten über den Gegenstand hinaus. Im Kern ging es darum, wie eine Stadtgesellschaft mit ihren kulturellen Differenzen verfährt ­ im Fall Berlins, der ehemals geteilten Stadt, eine brisante Frage. Es ging um den Anspruch einer Westberliner Führungselite auf kulturelle Hegemonie, ästhetisch wie auch gesellschaftlich. Und zwar kompromißlos, ohne Widersprüchliches auch nur zu tolerieren. Dieser Kampf wurde vor allem in den Medien ausgetragen - gestützt von einem Troß von Journalisten um Dieter Hoffmann-Axt- helm, Michael Mönninger und Klaus Hartung. Warum die alten Kamellen aufwärmen? Weil das Planwerk Innenstadt immer noch offizielles Leitbild ist ­ und bleibt. Und weil eben jene Führungselite, jetzt mit Billigung der PDS, weiter versuchen wird, ihre Hegemonie auszubauen.

Die Wende in der Stadtentwicklungspolitik findet nicht statt. Daß trotzdem gleich mehrere umstrittene Großprojekte abgespeckt werden oder ruhen, hat keine inhaltlichen Gründe. Sie scheitern schlichtweg am Geld ­ entweder an den Sparzwängen oder an mangelnder Investition. Die Hochhäuser am Alexanderplatz zum Beispiel werden aller Voraussicht nach gekappt, um den Plan den Erwartungen der Investoren anzupassen. Zwar ist der Bebauungsplan beschlossene Sache, und nähme man ihn zurück, müßten die Investoren entschädigt werden ­ doch die neue Regierung wird soweit vom Vertrag abweichen, daß die Investoren bei Bedarf die Höhen der Häuser reduzieren können. Die Folge wird wahrscheinlich sein, daß früher gebaut wird, aber niedriger. Die Pattsituation, in der zwar Baurecht besteht, aber nichts geschieht, wird bald beendet sein. Die neuen Gebäude werden dafür weniger markant sein und die gesamte Raumsituation nicht völlig umdefinieren. Der Alexanderplatz kann sich langsamer weiterentwickeln.

Auch das Planwerk wird Federn lassen. Die millionenschwere Straßenumleitung und Neubebauung an der Leipziger Straße, Spittelmarkt, soll nur dann realisiert werden, wenn sich die Kosten aus Grundstücksverkäufen einspielen lassen. Damit ist die Planung de facto vom Tisch ­ zumindest der ebenso teure wie unnötige Umbau der Getraudenbrücke. Den Bewohnern der Leipziger Straße werden nun vielleicht keine Neubauten vor die Nase gesetzt, aber nicht, weil man sie respektvoller behandeln will, sondern weil die Kassen leer sind. Eine guten Portion Sauerstoffzufuhr wäre nötig, um den Frontstadtgeist in Berlin endlich auszutreiben.

Tina Veihelmann

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