Ausgabe 01 - 2002 berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Die Soziale Stadterneuerung wird abgeschafft

Was unter rot-grün-gelb schon Thema der Koalitionsverhandlungen war ­ und von den Grünen heftig bekämpft wurde ­ ist jetzt beschlossene Sache. Das Programm der Sozialen Stadterneuerung im Altbau wird aufgegeben. Öffentlich investiert wird nur noch in Infrastruktur, öffentliche Gebäude und Genossenschaftsprojekte. Geförderte Sanierungen von Altbau-Wohnhäusern, die Gesellschaften wie „S.T.E.R.N" oder „Stattbau" betreut haben, wird es nicht mehr geben. Damit wird ein Stück politischer Einflußnahme auf den Wohnungsmarkt preisgegeben. Denn an die Förderungen waren bestimmte Mietpreisbindungen gekoppelt. Mietobergrenzen gibt es in vielen Sanierungsgebieten zwar ohnehin, die BVV legt sie fest. Doch hat sich die Kontrollierbarkeit des Mietenlimits in den geförderten Häusern als wesentlich effizienter erwiesen als in den freifinanzierten. Verläßt man sich allein auf die politisch bestimmte Mietobergrenze, hängt viel vom Mieter selbst ab ­ davon, ob er Zeit und Kraft hat, sich ausreichend beraten zu lassen und seine Rechte durchzusetzen. In vielen Fällen umgehen Eigentümer die Mietobergrenzen. Ein Blick auf die entsprechenden Wohnungsangebote in der Zeitung genügt, um das zu bestätigen.

Nun wäre die geförderte Sanierung also ein Mittel, die Mietpreise trotz Sanierungstätigkeit gering zu halten. Jedoch gibt es einige wesentliche Einwände.

Erstens sind die Mietpreise in den geförderten Wohnungen nicht wirklich billig. Sie liegen im Durchschnitt gerade mal auf dem Niveau des Mietspiegels ­ also der durchschnittlichen Miete, die die Bewohner im Gebiet für eine Wohnung gleichen Standards sowieso bezahlen. Leute mit niedrigem Einkommen oder niedrigem Arbeitslosengeld ziehen oftmals von einer unsanierten Wohnung in die nächste.

Zweitens lassen es diese Programme nicht zu, Häuser nur so weit wie nötig instandzusetzen ­ also etwa zugige Fenster zu reparieren, statt auszutauschen oder auf Grundrißänderungen für große Badezimmer zu verzichten. Denn die Zuschüsse für die Baukosten fließen erst ab einer bestimmten Summe, die der Eigentümer verbauen läßt. Für Niedrigverdiener, Studenten und Arbeitslose ­ und von ihnen gibt es in den Innenstadtvierteln ja nicht wenige ­ die bisher den „Rest" an unsanierten Wohnungen bewohnen und wegen anstehender Bautätigkeit ständig umziehen müssen, wäre ein solches Wohnungssegment wichtig: Wohnungen, die keine erheblichen Mängel aufweisen, deren Standard aber für sie bezahlbar bleibt. Ein weiterer Einwand ist, daß die Programme, wie sie bisher funktionierten, nur für professionelle Eigentümer interessant waren, denn das Beantragen der Mittel war mit hohem bürokratischem Aufwand verbunden. Die öffentlichen Mittel flossen also nicht gezielt in Häuser, die so verfallen waren, daß die Reparaturen besonders teuer ausfielen ­ und die vielleicht gerade einem mittellosen Eigentümer rückübertragen wurden ­, sondern sie wurden eher von versierten Besitzern in Anspruch genommen, die mehrere Häuser auf diese Weise sanierten. Darüber hinaus förderte das Land Berlin mit dem öffentlichen Geld nicht nur die Bautätigkeit, sondern auch ein bekanntes Kreditinstitut. Denn ein zunehmend größerer Teil der Zuschüsse floß nicht in Baukosten, sondern in Kredite, die die Eigentümer für die Sanierung aufnahmen. Diese Kreditgeschäfte wiederum wurden mit der Investitionsbank Berlin abgeschlossen. Ergo: Das Land Berlin finanzierte seine eigene Bank.

Der politische Handlungsbedarf, Mietpreissteigerungen in Altbaugebieten einzudämmen, ist unbestreitbar. Immerhin müssen hier Mieter für Reparaturen aufkommen, die oftmals seit fünfzig Jahren überfällig sind. Und meist kommt eine erhebliche Erhöhung des Standards hinzu. Die Mietobergrenzen des Bezirks allein reichen nicht aus, denn in etwa 50% der Fälle werden sie nicht eingehalten. Bei aller Kritik an den Programmen der Sozialen Stadterneuerung wäre die richtige Forderung nicht, sie ersatzlos aufzugeben, sondern bezahlbare Mieten in sinnvollerer Weise zu subventionieren.

Tina Veihelmann

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