Ausgabe 12 - 2001 berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Kultur brauen?

In der Kulturbrauerei hat sich manches zusammengebraut

Was macht die Kulturbrauerei im Frühwinter des Jahres 2001? Die Zeitungen berichten Schlimmes: über die Entlassung des Geschäftsführers ­ die Kulturbrauerei stand kurz vor dem Konkurs ­ über Ungereimtheiten in den Finanzen, über Mißmanagement im allgemeinen. Hinzu kommt das unklare Image des gesamten Komplexes der Kulturbrauerei, vor allem in seiner Präsentation nach außen. Vielen Besuchern dürfte bis heute nicht klar geworden sein, daß es sich hier um ein Gelände handelt, auf dem unterschiedlichste Interessengemeinschaften nicht nur agieren, sondern leider manchmal auch allzu eindeutig aneinander vorbei organisier(t)en.

Um dieser Desorientierung entgegenzuarbeiten, soll es hier zunächst ausdrücklich um das soziokulturelle Projekt der Kulturbrauerei GmbH gehen. Diese läßt sich als Gesellschafter-Brückenschlag zwischen unterschiedlichen Feldern der Musik- und Tanzszene, des Kunst- und Galeriebetriebs, Theatern und Kreativworkshops sowie der „Sammlung Industrielle Gestaltung" verstehen. Ihr stehen derzeit um die 7000 Quadratmeter des gesamten alten Schultheiss-Brauerei-Geländes zur Verfügung.

Womit wir auch schon bei einem der Probleme angelangt wären. Kulturbrauerei ist eben nicht Kulturbrauerei. Der Rest des Areals ist Handlungsspielraum der TLG, der Treuhandliegenschaftsgesellschaft, die dort in erster Linie kommerziell vermietet, wo sie kann. Die daraus nur allzu eindeutig folgende unternehmerische Revitalisierung im schönsten und grausamsten Sinne einer kapitalisierenden Wirkung auf das ganze Gelände ist für den heutigen Besucher nur schwerlich zu übersehen.

Die Folge ist, daß dort, wo Kulturinteressierte der Stadt sich anderes erhoff(t)en, merkwürdige Dinge passieren. So ragt in diesen Tagen ein fragwürdiger Weihnachtsmarkt nebst einer Spektakeleisbahn im Gelände auf, lautstarke Hitradiomusik nebst Weihnachtsliedern erschallt und vergrault den letzten hartgesottenen, im weitesten Sinne des Wortes, enthusiastischen Kultursucher. Vom alten Charme des eigentlich genialen Geländes ist nicht mehr viel zu spüren. Eine pseudo-sanierende Reanimierung hat gegriffen, die in ihrem Touristenfängerkitsch jede gewachsene Unebenheit, jede ortsspezifische Gebundenheit und jedes schroffe, siffige und an Möglichkeiten offene Potential der zum Großteil noch immer überraschenden Innenräume verstellt. Immer mehr wird in den Hintergrund gedrängt, was eigentlich die Kulturbrauerei als Kultur brauendes Etwas ausmachen sollte. Und irgendwann kapiert auch der Letzte nicht mehr, was hier los ist. So hat man nicht nur selbst ein Problem, sondern auch die Kulturbrauerei GmbH sowie alle, die hier eine kulturpolitische Szene hochhalten wollen. Man braucht nur über dieses Areal zu gehen, wenn es gerade nicht von den Spektakeln der TLG-Mieter in Beschlag genommen wird, um zu sehen, was hier für ein Möglichkeitenbrachland liegt.

Um nun aber die Möglichkeiten aufzuzeigen, die die Kulturbrauerei hat: In Eigenregie bespielbar sind u.a. die „Alte Kantine", die „Galerie im Pferdestall", die „Sammlung", „zwei Theaterräume" und bald auch wieder „das Kesselhaus", als Herzstück des Ganzen. Daneben gibt es unzählige kleine Orte, die ihrer Nutzung harren.

Karin Baumert, die neue Geschäftsführerin, will nun eine Umorientierung einleiten, ein neues Gesamtkonzept entwickeln. Fragen der Öffnung verkrusteter hierarchischer Vereinsstrukturen, Transparenzbeförderung im weitesten Sinne sind die begrifflichen Umschreibungen, die sich in ihrer Arbeit konkretisieren sollen. Da freut man sich über einen neuen Gesellschafter wie die literaturWERKstatt aus Pankow. Baumert fordert alle kulturellen Projekte der Stadt zur Zusammenarbeit auf. Sie sieht sich in einer Katalysatorfunktion für die Aktivitäten auf dem gesamten Gelände, um so unter anderem die Kulturbrauerei von ihrer halböffentlichen Verankerung stärker in die stadtkulturelle Öffentlichkeit einzubringen. Zudem will sie an einer besseren Koordination zwischen Kulturprojekt und TLG arbeiten. Im gegenseitigen Interessensaustausch soll eine bedachtere und rücksichtsvollere Planung der Vermietungen ermöglicht werden. Es geht der neuen Geschäftsführerin um die Suche nach neuen Konzepten, um Ortsbezogenheit und um die Frage, welche Zielgruppen die Kulturbrauerei zukünftig ansprechen will.

Tina Kaiser

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