Ausgabe 12 - 2001 berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Soziale Stadterneuerung steht in Frage

Während bei der Berliner Koalitionsbildung alles drunter und drüber geht, werden in Fragen der Stadterneuerung schon durchaus handfeste Vorschläge unterbreitet, wie es weiter gehen soll. Eine Vorlage für die Koalitionsverhandlungen legte die SPD noch vor knapp zwei Wochen Bündnis 90/Den Grünen vor. Zwar ist die Ampelkoalition mittlerweile gescheitert ­ doch die SPD wird bleiben und den Entwurf wohl ihren nächsten Verhandlungspartnern unterbreiten.

Das Zukunftsszenario ist wenig originell. Natürlich muß gespart werden. Nach einem so simplen wie unverantwortlichen Prinzip: Diejenigen Programme, die hauptsächlich von Bund oder EU finanziert werden und die Berlin nur kofinanziert, werden in ähnlicher Höhe neu aufgelegt, diejenigen, die das Land Berlin selbst trägt, werden derart zusammengestrichen, daß nicht viel übrig bleibt. Das heißt im Klartext: Programme wie die „Soziale Stadt" wird es weiterhin geben ­ was bedeutet, daß uns so essentielle Dinge wie Quartiersmanager erhalten bleiben ­ während solche, die bisher die Mietpreise reguliert haben, über Bord geworfen werden. Hauptsächlich ist es das Programm „Soziale Stadterneuerung im Altbau", das bisher einerseits Fördergelder für die Sanierung von Wohnungen bereitstellte und andererseits das Hochschnellen der Miete direkt nach der Modernisierung eindämmte. Gleichzeitig sicherte es sogenannte „Belegungsrechte". Das bedeutet unter anderem, daß ein bestimmtes Kontingent an Wohnungen für Einkommensschwächere freigehalten und zu einer begrenzten Miete angeboten wird. Dabei geht es um die mittlerweile raren „WBS"-gebundenen Wohnungen. Alle von Berlin geförderten Programme der „Sozialen Stadterneuerung" zusammen sollen nun von 250 Millionen Mark um mehr als vier Fünftel auf 47 Millionen Mark gekürzt werden. Experten, die Bündnis 90/Die Grünen zu einer Beratung eingeladen hatten, bezweifelten, ob mit diesen Geldern die Sanierung in den Altbaugebieten überhaupt zu vollenden sei ­ und wenn ja, so wäre abzusehen, daß es zu sehr tiefgreifenden Verdrängungsprozessen kommen würde. Der Stadtsoziologe Hartmut Häußermann legte am Beispiel des Prenzlauer Bergs zwei mögliche Zukunftsszenarien dar.

Nach dem ersten Szenario gelänge es tatsächlich, für die gesamte Sanierung private Investoren zu finden – was Häußermann als höchst fragwürdig einschätzte. Bei Sanierungen, die sehr aufwendige Arbeiten erfordern, lohne sich das Geschäft für private Investoren nur dann, wenn sie die bezirklich festgelegten Mietobergrenzen umgingen. Derartige Modernisierungen führten erfahrungsgemäß zu einem fast vollständigen Bewohneraustausch! Als Folge erwartet er „einen völligen sozialen Wandel" im Gebiet. Dazu ist zu bemerken, daß Häußermann als anerkannte Koriphäe seines Fachs bisher noch der Ansicht ist, die soziale Mischung sei nicht gefährdet – sollte alles beim Status quo bleiben. Doch Häußermann zeichnete noch ein zweites mögliches Bild: Man nehme an, die privaten Investitionen blieben aus. Gerade bei den 10000 Altbauwohnungen in Prenzlauer Berg mit „hohem Sanierungsbedarf" würde es sich wahrscheinlich als schwierig erweisen, Investoren zu begeistern. Dann käme es zu scharfen Gegensätzen zwischen den Häusern oder Straßenzügen, in denen modernisiert wurde und denen, die langsam verfallen.

Tina Veihelmann

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