Ausgabe 10 - 2001 berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Olympiade der Ignoranten

Wie sich der Senat von Alltagsproblemen löst

Daß die Berliner Parteien sich vor den Wahlen kaum einmal äußerten, wie sie die finanzielle Notsituation der Stadt zu überwinden gedenken ­ die Kandidaten übertrafen sich gegenseitig nur, wenn es darum ging, die Hilfe des Bundes anzumahnen (in Form eines „Berlin-Paktes" oder ähnlich kruden Plänen): Das ist das eine. Nun aber auch noch von einer Bewebung der Stadt für die Olympischen Sommerspiele 2012 zu reden, ist eine ganz neue Dimension von naiver Ignoranz und Größenwahn.

Anfang Oktober verkündeten der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit und sein Sportsenator Klaus Böger übereinstimmend, Berlin prüfe eine Bewerbung für die Olympiade. Böger sagte: „Angesichts der finanziellen Situation Berlins wird jetzt mancher sagen, ihr habt einen Knall. Aber man muß sich auch von Alltagsproblemen lösen." Der Berliner Senat löst sich mit seinem Vorhaben aber nicht nur von gegenwärtigen Problemen, er setzt sich dem dringenden Verdacht aus, vollständig veralzheimert zu sein.

Vor acht Jahren war die dilettantische Bewerbung der Stadt für die Olympischen Spiele 2000 kläglich gescheitert: Die zuständige Olympia GmbH unter der Führung von Axel Nawrocki tat sich hervor durch peinliche Werbekampagnen und Fehlplanungen. Nachdem bekannt geworden war, daß Nawrockis Olympioniken intime Daten über IOC-Mitglieder gesammelt hatten, tendierten die Chancen Berlins praktisch gegen null. Die Pleite kostete die Stadt 50 Millionen Mark, die laufenden Kosten für die drei, zuvor hochgeklotzten Sport-Großstätten belasten bis heute den Haushalt jährlich mit fast 100 Millionen Mark. Mit dem Geschäftsgebaren der Olympia GmbH beschäftigte sich anschließend der Landesrechnungshof. Axel Nawrocki jedoch wurde zur Belohnung für sein desaströses Management Chef der S-Bahn GmbH.

Nun planen Wowereit und Böger offensichtlich eine Neuauflage des jämmerlichen Auftritts von vor acht Jahren. Zurück in die Zukunft: Sie beabsichtigen nicht nur, Geld (welches Geld überhaupt?) für eine mehr als fragwürdige Entscheidung auszugeben (ein Zuschlag pro Berlin gilt als ziemlich unwahrscheinlich), sie werben für ihre Pläne zu allem Überdruß auch noch mit Leuten, die damals schon ihre Unfähigkeit unter Beweis gestellt haben. So fiel bei der Aufzählung der Unterstützer für die neuerliche Bewerbung unter anderem der Name von Nikolaus Fuchs, einer der hauptverantwortlichen Mittäter der 2000er-Kampagne. Bleibt nur noch zu fragen: Was macht eigentlich Axel Nawrocki?

Roland Abbiate

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