Ausgabe 09 - 2001 berliner stadtzeitung
scheinschlag

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IT'S NO YSI

Einige Bemerkungen zum Berliner Wahlkampf

Unisono ­ im Einklang haben am 12. September alle fünf großen Berliner Parteien ihre Aktivitäten im Wahlkampf bis zum kommenden Sonntag terminiert. Viele schauen fern. Einige gehen aus. Vor dem Amerikahaus einige Dutzend Blumensträuße und hin und wieder handbeschriebene kleine Schilder oder Zettel. Davor mit leichten Schußwesten und Schnellfeuerwaffen (uzi) Polizei. „Auch der deutsche Mineralölverband sieht keinen Grund zu Hamsterkäufen, allenfalls." So ziemlich alle sehen denselben Film, und doch ist er jedesmal anders.

Berlin ist also nach Paris die zweite europäische Großstadt, deren (Regierender) Bürgermeister schwul ist. Nach Paris, Roma und London könnte Berlin die dritte europäische Hauptstadt werden, mit einer ­ im Rahmen der politischen Verhältnisse ­ dezidiert linken Stadtverwaltung. Aber Wahlkampf ist im Moment vergleichsweise unbedeutend. „Am Samstag wird das Berliner Abgeordnetenhaus eine Gedenkveranstaltung abhalten." Gedenken und „Betroffenheit" hat man schließlich geübt. „Es gilt weiter die Sicherheitsstufe eins. Was die Sicherheitsstufe eins ist, erklärt Ihnen jetzt Torsten Gabriel." Tor-sten Gabriel, inforadio: „Noch kommt die Berliner Polizei allein zurecht, aber..." Filme. In Variationen. Feelies.

Dabei ... früher mußte es gute Butter sein, die auf den Tisch kam, heute reicht „butter", um die Wahlkampfagentur der Berliner SPD zu werden. Markenbutter (www.butter.de). Und wie um zu beweisen, daß die Berliner SPD niemals in der Lage gewesen wäre, aus eigener Kraft einen schwulen Genossen, der sich erst mit der Kandidatur outet, weil sich niemals zuvor jemand für ihn interessierte ­ wie zum Beweis, daß Berliner Politik Bundespolitik ist, kommt die Agentur der Berliner SPD aus der Landeshauptstadt Düsseldorf, am Nachbarzaun der Familie Müntefering.

Und wie zu erwarten – der Stil der Agentur:Satz und – nun:nicht Gegensatz, sondern, mit: für provokativ gehaltener Aussage und ihrer gefälligen Auflösung: „Sie soll sich mal was einbilden. (Ein lachendes Mädchen). Auf ihre Bildung." Oder auch: Wer keine Arbeit hat, soll wenigstens nach ihr riechen. LAVORO, Arbeit ist Abenteuer. Wer übrigens Arbeit sucht, in Düsseldorf, kann sich bewerben; wie gesagt: unter www. butter.de, die haben jetzt viel Geld.

Nun, was hat die FDP mit der Berliner Stadtreinigung zu tun? Die erste will die zweite privatisieren. Und was haben die Berliner Stadtreinigung und die Berliner FDP noch gemeinsam? Drei Buchstaben. Und weiter? Dieselbe Agentur. Und wo vor zwei Jahren die ziemlich populären orangen Plakate hingen, mit Saturday Night Feger und einer Bemannten Räumfahrt, da sieht man jetzt gelbe Flächen und Sätze wie „Die Mauer muß weg" ­ darunter eine zur Wand verdichtete Ansammlung von Straßenverkehrszeichen. Links abbiegen verboten. Weg damit. Wir üben für den Klassenerhalt. www.fdp-rexrodt.de FDP minus Rexrodt Punkt Ade.

www.Frank-Steffel.de, unter dieser Adresse kann man im world-wide-web einen Frank-Steffel-Bildschirm-Schoner herunterladen. Einfach klicken. Und wenn der Frank-Steffel-Bildschirm-Schoner auf Ihrem Computer installiert ist ­ nie wieder weg vom Computer, wenn er an ist, denn sonst kommt der Bildschirmschoner. Und dann? Was sollte man dann noch über diesen Kampfhund mit Fönfrisur sagen, außer, daß die Zahl der Fettnäpfchen, in die er tritt, geradezu stündlich steigt, und damit die Spur, die er in Diepchens Fußstapfen zieht? Irgendwann wird er ihn überragen. Er übt schon mal für den Krawattenhalt.

Und dann die PDS ­ sie hatte die Möglichkeit, in der spezifisch Berliner Situation, mit diesem Kandidaten, eine Wahl zu gewinnen, oder aber einen Wahlkampf mit Gregor Gysi zu absolvieren. Die Belegschaft des Gysi-Wahl-Quartiers in Friedrichshain hat sich für die zweite Variante entschieden. Dabei hätte, wie der Entwurf eines abgelehnten Kampagnenbeitrags zeigt, die Sache einfach werden können, eben YSI. Und take-it-gysi.de war schon halb geklaut. Die Site sollte man sich aber mal anschauen.

Die der Grünen auch.

carlos rodriguez

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