Ausgabe 09 - 2001 berliner stadtzeitung
scheinschlag

Diese Ausgabe

Inhaltsverzeichnis


Zur Homepage

Laster und Hänger unerwünscht

Am Samstag, dem 8. September eignete sich der Verein „Menschen im Augenblick äußerster Erregung e.V.", zum wiederholten Mal ein unbebautes Grundstück in Friedrichshain an. Im Rahmen der „Wagentage", einem drei bis vier Mal im Jahr stattfindenden republikweiten Rollheimertreffen, besetzten sie die landeseigene Brache in der Revaler Straße Ecke Modersohnstraße und schlugen damit ein neues Kapitel in der scheinbar unendlichen Odyssee der Wagenburg „Laster und Hänger" auf, die seit der Räumung ihres Domizils am Volkspark Friedrichshain im November letzten Jahres ohne festen Stellplatz ist.

Ohne das beherzte Eingreifen des anwesenden Friedrichshain-Kreuzberger Baustadtrates Schulz (Bündnis 90/Die Grünen) hätte der Spaß bereits nach kurzer Zeit ein jähes Ende gefunden. Als die Polizei zum Räumen eintraf, unterband er deren Ansinnen, indem er ein wenig eigenmächtig im Namen des Bezirksamtes eine vorläufige Duldung der Wagenburg bis zum darauf folgenden Dienstag aussprach.

Zu diesem Termin berief man eine Bezirksamtssitzung ein, zu der auch zwei Vertreter der Wagenburg eingeladen wurden. Obwohl es einen Beschluß der Bezirksverordnetenversammlung vom 28. März diesen Jahres gibt, der das Bezirksamt auffordert, für die Laster und Hänger einen geeigneten Stellplatz zu finden, mußten die beiden erfahren, daß ihnen dieses Grundstück nun auf gar keinen Fall zur Verfügung gestellt werden könnte. Das Gelände sei planungsbehaftet, erklärt dazu Herr Wohlfarth, Sprecher der PDS-Bezirksbürgermeisterin Grygier. Die Planungen beschränken sich aber wohl darauf, das Grundstück zu verpachten, um etwas Geld in die Bezirkskasse zu spülen. Pachten wäre wiederum genau das, was die Menschen im Augenblick äußerster Erregung wünschen.

Das Bezirksamt hat diesen Beschluß mit fünf zu eins Stimmen gefaßt. Nur der grüne Baustadtrat hat sich hinter die Wagenburg gestellt. Besonders das Verhalten der beiden PDS-Mitglieder im Bezirksamt verwundert, hatte sich die Partei doch zumindest verbal immer für den Erhalt der Wagenburgen ins Zeug gelegt. Jetzt baut man hier offenbar darauf, daß die Rollheimer sich freiwillig wieder zurückziehen und in debilem Gottvertrauen weiter darauf hoffen, daß der immerhin fast ein halbes Jahr alte BVV-Beschluß doch noch irgendwann in die Tat umgesetzt wird.

Das sieht man in der Wagenburg anders. Der wieder aus der Versenkung gekramte Vorschlag, auf dem Gelände des ehemaligen Reichsbahnausbesserungswerks einen Stellplatz vorzusehen, scheitert am kürzlich erklärten definitiven Njet seitens der Verwaltung Vivico. Es stünde somit keine andere Fläche zur Verfügung, was für die Wagenburgler unter anderem bedeutete, immer mal wieder mitten in der Nacht von der Polizei geweckt und in Unterwäsche auf die Wache verschleppt zu werden. Deshalb werden sie keinesfalls den Platz freiwillig räumen und hoffen darauf, daß die PDS ihre Haltung noch ändert und den zuständigen Finanzstadtrat Schäfer von der CDU davon abhält, am Montag, dem 17. September (wenn diese Zeitung gedruckt wird) räumen zu lassen. Die Möglichkeit dazu wäre gegeben. Im Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg haben PDS und Grüne zusammen die Mehrheit, weil die Stimme der Bezirksbürgermeisterin doppelt zählt. Laut Bezirksverwaltungsrecht könnten sie somit Herrn Schäfer die Zuständigkeit entziehen. Die politische Verantwortung für eine Räumung trüge somit die PDS.

DR

© scheinschlag 2001
Inhalt dieser Ausgabe | Home | Aktuelle Ausgabe | Archiv | Sitemap | E-Mail

  Ausgabe 09 - 2001