Ausgabe 07 - 2001 berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Romeo und Julia im Hexenkessel

Kleines Off-Theater in Mitte begeistert sich und die Zuschauer

Wenn es Abend wird auf der Museumsinsel, sind in der Nähe des Monbijouparks altertümliche Klänge zu hören. Dann weiß der Eingeweihte, daß das Hexenkessel Hoftheater wieder seinen allsommerlichen Betrieb aufgenommen hat, an diesem Standort nunmehr das sechste Jahr. Hier ist das Theater beinahe schon eine Institution mit seinem buntgemischten Publikum: Es kommen Punks, Menschen in Abendroben, ganze Familien und natürlich Touristen, sogar aus Übersee. Manch begeisterte Zuschauer besuchen mehrmals die Vorstellung.

Der Ort ist gut gewählt: ein wenig verwunschen hinter einer bröckeligen Mauer mit direktem Blick auf die Spree und das gegenüberliegende Bodemuseum. Vor dieser Kulisse sind kaum eigene nötig. Ausschlaggebend für den Erfolg der Truppe ist aber die Spielfreude der Akteure und der Spaß, den man beim Zuschauen hat. Das hat sich herumgesprochen. Es werden keine unüberwindlichen Alltagsprobleme gewälzt, sondern einfach gute Geschichten, meist von William Shakespeare, unterhaltsam erzählt, ohne daß Substanz verlorenginge. Und das schon im neunten Jahr.

Angefangen hat alles, als sich 1993 eine Gruppe zusammenfand, die Romeo und Julia spielen wollte. Ziel der Truppe war, daß die Leute das Stück mit einem Lächeln oder einem Seufzer verlassen sollten. Man fragte den studierten Regisseur Jan Zimmermann, ob er das Stück für drei Schauspieler bearbeiten könne. Da das zu kompliziert war, einigte man sich auf das besser geeignete Wintermärchen. Gezwungenermaßen übernahm er selbst die Regie. Bis heute inszeniert er die Stücke.

Erster Spielort war ein Hinterhof in der Schönhauser Allee, der namensgebende Hexenkessel. Dort klang der Abend zuweilen mit einem Lagerfeuer lauschig aus. Als das Haus saniert wurde, mußte schnell Ersatz gefunden werden, zumal das Stück kurz vor der Premiere stand: der heutige Platz im Monbijoupark, dessen Gelände der Charité gehört.

Daß jedes Jahr ein neues Stück gespielt werden kann, ist immer ein Kraftakt für alle Beteiligten. Je Produktion gibt es höchstens fünf Akteure, die bis zu vier Rollen spielen. Um ein Stück in so schwacher Besetzung überhaupt aufführen zu können, müssen die Stücke überarbeitet werden, zum Beispiel damit genug Zeit für den Kostümwechsel bleibt. Hilfreich ist, daß Shakespeare seine Stücke für eben solche Kleinstgruppen verfaßte, mit den Ziel, das Publikum zu unterhalten, wie alle seine Zeitgenossen. So kommt man zum Ursprung des Theaters, als die „fahrenden Gesellen" mit kleinen Truppen durch die Lande reisten und mit möglichst wenig Aufwand und Personen ihre Aufführungen gestalteten. „Wir sind eine fahrende Truppe mit fester Spielstätte", sagt Regisseur Zimmermann. Diese bleibt so lange erhalten, wie die Charité die Truppe spielen läßt. Subventionen gibt es nicht. Die Gruppe hilft sich selbst, und hat es ­ sogar finanziell ­ immer wieder geschafft.

Ob das Ganze Gewinn bringt, hängt sehr vom Wetter ab. In einem Jahr konnten beispielsweise überhaupt keine Gagen gezahlt werden. Es braucht schon eine Menge Enthusiasmus aller Beteiligten, daß sie jedes Jahr aufs Neue sich zusammenfinden, wenn sie nur wenig verdienen. Der Spaß an der Sache wiegt vieles auf.

In diesem Jahr wird es erstmals keinen Shakespeare gegeben, sondern Der Diener zweier Herren von Carlo Goldoni. Sehr bunt und amüsant, ein Stück im Stil der Commedia dell' Arte mit vier Schauspielern und erstmals Kulissen auf der Bühne. Die Musik ist weithin zu hören. So kann und will auch niemand verhindern, daß sich Zaungäste einfinden, die durch die Sichtblenden aus Stroh linsen, das Geschehen von oben betrachten. Bestimmt bekommen sie dabei Lust, noch einmal den „richtigen" Eindruck als zahlender Gast zu bekommen, Unterhaltung inklusive. Das haben die Leute vom Hexenkessel Hoftheater verdient.

Ingrid Beerbaum

„Der Diener zweier Herren" wird noch bis 9. Sept. gespielt, immer Mi bis So um 21.30 Uhr, Monbijoustraße 3, fon: 24 04 86 50

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