Ausgabe 07 - 2001 berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Radikaler Umweltschutz im dritten Stock

Die Grünen haben mittlerweile ja einige Probleme zu erklären, was sie eigentlich wollen. Binnen zwanzig Jahren entwickelten sie sich von einer radikal-ökologischen, linken und pazifistischen Bewegung zu einer Partei, die sich als Programm Wischiwaschi auf die Fahnen schreibt, einer Partei, die bei Bedarf das Programm auch umformuliert: Waschiwischi heißt es dann. Wenn es darum geht, auch ein bißchen Macht zu haben, werden flugs die Ziele, die Forderungen, die Kleinigkeiten, hinter denen man gerade noch steht, über Bord geworfen. Das nennen die Grünen Realpolitik.

Der oberste Mentor dieser Politik macht es seinen Mitstreitern vor: Joschka Fischer, Erster Umfaller und Ultra-Opportunist der Partei, läuft ­ wer kommt in meine Arme? ­ immer in die des Nächstmächtigen: Kanzler Schröder, US-Demokratin Albright, US-Republikaner Powell. Das verschafft dem Joschka Reputation und eine Art Stellvertretermacht ­ und so auch seiner Partei: Da nimmt man schon mal einen kleinen Krieg in Kauf.

Wer aber denkt, dieser Partei ginge es um nichts Inhaltliches mehr, schließlich um nichts als die Macht, wurde jetzt eines Besseren belehrt. An der Basis regt es sich. Vor kurzem ließ die Grünen-Fraktion der BVV Mitte alle Welt per Fax von ihrem letzten großen Erfolg wissen. Stolz verkündete man, in der Sitzung vom 21. Juni habe die BVV einen "Antrag der grünen Fraktion direkt beschlossen, in weiten Bereichen des Neuen Stadthauses, dem Sitz der BVV und ihrer Fraktionen, ein Rauchverbot zu erlassen". Grandios! Ein Sieg der Umweltschützer: Die weiten Bereiche ­ das ist immerhin der gesamte Flur des dritten Obergeschosses! Und dort darf keiner mehr rauchen!

Es gibt bei den Grünen also doch noch Menschen, die Ideale haben, die aktiv für den Umweltschutz eintreten, Revolutionäre. Einer von ihnen, Stephan von Dassel, sagt: „Zeitweise war die Situation vor dem Sitzungssaal der BVV unerträglich. NichtraucherInnen waren genötigt, sich durch dichte Qualm-Schwaden zu kämpfen. Damit ist jetzt endlich Schluß!" Es ist gut, wenn man weiß, wofür es sich zu kämpfen lohnt. Und noch dazu zeigen kann, wie man konsequent ­ und erfolgreich ­ grüne Politik treibt.

Roland Abbiate

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