Ausgabe 05 - 2001 berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Komm in den Garten

Eine Austellung zur Filmgeschichte des Prenzlauer Bergs

„Komm in den Garten" ist als Einladung zu verstehen in den Filmraum Prenzlauer Berg, zu seinen Drehorten und zur Geschichte seiner Kinos.

Im Jahr 1892 fing alles an – mit dem Film im Prenzlauer Berg, mit dem Film überhaupt: Max Skladanowsky „drehte" seinen Bruder Emil auf dem Dach des Hauses Schönhauser Allee 146. In Ausþugslokalen wie z.B. dem Prater werden wenig später die ersten Filmvorführgeräte mit Kurbelbetrieb aufgestellt – sogenannte „Kinematographen". (Die Vorführungen der noch sehr kurzen Filme sind noch nicht viel mehr als ein hübsches technisches Experiment.) Auch die Brüder Skladanowsky ziehen mit einem Vorführgerät umher – dem „Bioscop", das sich jedoch niemals durchsetzte.

Peter Mänz und Nils Warnecke, denen Konzept und Realisation der Ausstellung zu verdanken ist, verfolgen von hier aus zwei Erzählstränge: Vorführort und Drehort Prenzlauer Berg. Warnecke dokumentiert die Geschichte der Filmproduktionen in den Straßen des Prenzlauer Bergs. In der Nachkriegszeit avancierten sie zu beliebten Drehorten. Da das Viertel von Kriegszerstörungen weitgehend verschont geblieben war, ersparte die reale Kulisse aufwändige Rekonstruktionsarbeiten im Studio. Dabei unterscheidet er Produktionen, bei denen Prenzlauer Berg pars pro toto für „alte Berliner Arbeiterbezirke" steht – in Lissy von Konrad Wolf meint der Schwenk über die Mietkasernen den „roten Wedding" – und die „Prenzlauer-Berg-Filme", die sich ausdrücklich auf den Ort beziehen. Gerhard Klein, als ein Beispiel für letztere, bildet im DEFA-Film Berlin - Ecke Schönhauser von 1957, vom italienischen Neo-Realismus beeinflusst, bewusst Alltagsatmosphäre ab. In jenen Produktionen, so Warnecke, „riecht man förmlich den winterlichen Kohlengeruch in den Straßen oder spürt, wie die Hochbahn über einen hinwegrumpelt."

Nebenher wird die Geschichte der Prenzlauer Berger Kinos aufbereitet, von den frühen „Kintopps", den kleinen Kinos in ehemaligen Läden oder Geschäftshäusern ­ die von Polizei und Presse wegen ihrer zwanglosen Atmosphäre mitunter als exotisch, bisweilen sogar als bedrohlich wahrgenommen wurden ­ bis zur heutigen Debatte über Multiplexkinos.

Konzeptionell erschöpft sich die Ausstellung in der chronologischen Aufbereitung aller Schnittstellen zwischen Film und Prenzlauer Berg. Visuelle Einblicke vermitteln Aufnahmen von Dreharbeiten, Auszüge aus Drehbüchern und ein Nachbau des Ateliers von Horst Klein, einem Prenzlauer Berger Dokumentarfilmer. Eine Extraecke ist Solo-Sunny gewidmet – ein Einblick in ihr Zimmer, dargestellt als überdimensionales Foto, im Vordergrund ein Stuhl mit Kerzen – erweckt fast den Eindruck eines Altars. Die Nachteile, die visuelle Botschaft von Film zu vermitteln, ohne ihn wirklich zu zeigen, liegen auf der Hand – die Ausstellung begegnet diesem immanenten Mangel mit einem 45-minütigen Zusammenschnitt ausgewählter Szenen: Immer und immer wieder Prenzlauer Berg, Schauspieler, die zwischen den früher vertrauten grauen Fassaden unterwegs sind. Das Restgefühl, wenn man wieder die helle Straße betritt, ist Nostalgie. Prenzlauer Berg, es war einmal – im Film.

Tina Veihelmann

Austellung im Prenzlauer Berg Museum, Prenzlauer Allee 227/228
bis Dezember 2001

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  Ausgabe 05 - 2001