Ausgabe 02 - 2001berliner stadtzeitung
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Zwei Wagen bilden eine Burg

Die Odyssee der "Laster und Hänger" im dritten Monat

Die Sitzung im Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg wurde jäh unterbrochen. Die Bewohner der Berliner "Laster und Hängerburg" (ehemals Am Friedrichshain 16-18) statteten Bezirksbürgermeisterin Grygier (parteilos/für PDS) am Vormittag des 7. Februars unangekündigt einen Besuch ab und übergaben einen Offenen Brief, um einerseits gegen die ihnen entgegengebrachte Politik seitens des Bezirksamtes zu protestieren und andererseits zum wiederholten Male auf ihre akute Notlage hinzuweisen. Seit über zwei Monaten leben die etwa 25 Rollheimer schon ohne festen Stellplatz.
"Wir hatten die Hoffnung, in einem Bezirk mit einer PDS-nahen Bürgermeisterin und einem grünen Baustadtrat mit unserem Anliegen auf offene Ohren zu treffen", so Wagenburg-Sprecher Till. So zeigte Frau Grygier in Hohenschönhausen schon einmal Sympa-
thien für die Wohnform auf vier Rädern. In Kreuzberg hatte der damalige Bürgermeister Schulz (Bü90/Grüne), jetzt Baustadtrat, in der letzten Legislaturperiode sogar die Wagenburg Ratiborstraße unter Dach und Fach gebracht.
Am 25. Januar war es zum ersten und bisher einzigen Gespräch von Delegierten der "Laster und Hänger" und Herrn Schäfer, dem Finanzstadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg (CDU), zu Schönbohms Zeiten Büroleiter des Innensenators, gekommen. Schäfer erklärte, seine Behörde hätte bereits nach einer geeigneten Fläche gesucht und nichts gefunden. Nach Auskunft der Wagenburgbewohner wurden ihre alternativen Vorschläge mit der Begründung abgewiesen, es stehe ihnen nicht zu, Entscheidungen der Behörde zu hinterfragen. Ein separater Gesprächstermin mit Frau Grygier wurde für den 7. Februar vereinbart, vier Tage später telefonisch von ihr wieder abgesagt: "Kein Gesprächsbedarf."
Am 9. Februar meldete sich das Bezirksamt Mitte schriftlich mit einer Räumungsaufforderung bei den "Lastern und Hängern". Grund: Bildung einer Wagenburg am Bethaniendamm. Daraufhin wurden die Wagen verteilt am Bethaniendamm abgestellt. In den beiden darauffolgenden Nächten führte die Polizei gezielt Aktionen gegen die Rollheimer durch.
Der Status quo: Seitens der Polizei gilt die klare Ansage, dass zukünftig das Zusammenleben von schon zwei der registrierten Fahrzeuge als Bildung einer Wagenburg angesehen und dementsprechend geahndet wird. Die Odyssee wird also fortgesetzt. "Natürlich findet unsere Volxküche ohne festen Standplatz mittwochs trotzdem statt", so Wagenburgler Ulli.

Christoph Eckelt

Infos: Hotline 0179/6105647 www.squat.net

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