Ausgabe 01 - 2001berliner stadtzeitung
scheinschlag

Diese Ausgabe

Inhaltsverzeichnis


Zur Homepage

In Watte gepackte Töne

Ein Gespräch mit Robert Henke vom Musikprojekt „monolake"

Vor kurzem erschien nach eineinhalb Jahren Pause die neue CD von monolake: gravity ­ aus dem Duo ist mittlerweile ein Soloprojekt geworden, fast alle Tracks der CD sind von Robert Henke, Gerhard Behles indes konzentriert sich auf die Entwicklung von Musiksoftware ­ ein Feld, auf dem die beiden weiterhin zusammenarbeiten. w.lms sprach mit Robert Henke in seinem Studio im Berliner Haus des Lehrers.

Hast du eigentlich seit deinem Aufenthalt in Japan, Ende November, hier wieder ein Konzert gegeben?

Gestern, in Berlin. Im leisesten Club der Welt. In einem unglaublich kleinen Ort. Da hab ich zusammen mit Kit Clayton gespielt, und wir haben uns königlich amüsiert. Also wir haben ja schon mal zur Transmediale zusammen gespielt, und in San Francisco...

Ich bin jetzt sehr überrascht. Das, was ich von Kit Clayton kenne, wirkt auf mich etwas nervöser, zum Beispiel, als das, was ich von dir kenne.

Wir benutzen dieselbe Software. Und ich bin halt nervöser, deswegen ist meine Musik auch ruhiger, obwohl: Joshua ist auch nervös. Ich neige dazu, Dinge in Watte zu packen, und Joshua neigt dazu, Dinge rau zu machen. Ich kann mir vorstellen, dass die Kombination aus beidem uns beiden sehr gut tut. Das werden wir jedenfalls gemeinsam ­ mal sehn...

...mit weitergehenden Absichten?

Na ja. Das ist ja das andere Kapitel. Der Veröffentlichungszwang und der Produktionszwang. Joshua und ich haben da ein ähnliches Problem. Also: die Frage, ob elektronische Musik Kunst ist oder ob das, was wir hier so machen, nur eine Dienstleistung ist, ­ die Frage kann man ja stellen. Aber es ist schon frustierend, wenn man feststellen muss, dass Erfolg, ­ Erfolg im Sinne von Verkaufszahlen ­ viel mit Marketing zu tun hat, viel damit, die richtige Schublade zu bedienen und wenig, tatsächlich, mit dem einzelnen Stück.

Also du sprichst jetzt von dem, was jenseits des Vertriebsproblems auftaucht.

Klar. Das ist ja so ein Problem im Kapitalismus. Es geht nicht um Bedarf, es geht um Verkauf. Das ist mit Musik wie mit jedem anderen Ware. Und das macht's einem so schwer. Also: ich sitze hier, mache Musik und denke mir, das kickt nicht genügend. Man bekommt ganz seltsame Wertungskritieren plötzlich.

Klar. Das ist beim Schreiben genauso. Das lähmt.

Ja. Und ich habe das Problem, weil ich meine eigene Plattenfirma bin. Wenn ich eine universitäre, eine akademische Karriere gemacht hätte, dann sähe ich das vielleicht entspannter.

Du hast ja mal Musikwissenschaft gemacht...

Nee, ich hab Kommunikationswissenschaft angefangen, aber da hab ich mich vor allem mit Computermusik beschäftigt. Und damals schon gemerkt, dass da irgendwas in 'nem Elfenbeinturm festgefahren ist. Also zum Beispiel: Die Frage nach Funktionalität von Musik. Die ist ja schon spannend, und wenn die gar nicht gestellt wird, ...

...dann ist das schon mal sehr verdächtig.

Dann ist das ein Problem. Die Frage danach, wann ein Rhythmus funktioniert, kann man ja stellen. Wann funktioniert ein Rhythmus? Und das Wesen des
Rhythmus ist ja schon eine Funktionalität. Die Frage, wann groovt etwas, und wann nicht. Und wenn Leute sich hinstellen und sagen, ich mache Computermusik, das muss nicht grooven, dann sage ich: Doch. Es muss trotzdem grooven. Selbst wenn ich in der Akademie der Künste auf meinem Stuhl sitze und dort ein Stück läuft ohne Metrum, dann muss das trotzdem grooven. Weil Feldman, um einen Namen zu nennen, groovt nämlich auch.

Der atmet.

Ja. Wenn da eine Pause ist, zwischen zwei Tönen, dann kommt der nächste Ton, ­ dann gibts in meinem Kopf eine Fortspinnung und dann kommt der andere Ton, und der kommt vielleicht entweder genau da, wo ich will, oder er kommt ganz bewusst, wann ich nicht will und dann baut sich eine logische Spannung auf, in deren Konsequenz wieder ein Ton erfolgt...

Obwohl ich bei Feldman nie antizipieren kann, was der nächste Ton ist.

Aber wenn er kommt, dann stimmt er trotzdem; das ist ja das, was daran so groß ist.

interview: wilms@berlin.de

CD: monolake gravity, 67'56'', www.monolake.de

© scheinschlag 2001
Inhalt dieser Ausgabe | Home | Aktuelle Ausgabe | Archiv | Sitemap | E-Mail

  Ausgabe 01 - 2001