Ausgabe 01 - 2001berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Musik für die Massen

Labeling

Sampler, die sich musikalischen Epochen widmen, sind im Zeitalter von CD's teilweise wahre Verkaufsschlager. Großmäulig werden die größten Soul-Hits aller Zeiten angeboten oder zu allem Überfluss alle Beatles No.1 Erfolge verscherbelt. Das kleine aber feine Label Soul-Jazz-Records unterscheidet sich von dieser Verramschungswelle durch exquisit zusammengestellte Anthologien. Aktuelles und einfach nur empfehlenswertes Beispiel: New Orleans Funk. Was sich zwischen den sechziger und siebziger Jahren in New Orleans als eine Hochburg des Funk-Soul-Jazz abspielte, ist hier auf das Feinste nachzuhören ­ und in einem ausführlichen Booklet nachzulesen. Neben eher bekannteren Songs von The Meters oder Aaron Neville (naja, zumindest vom hören her), finden sich auf diesem Sampler Schätze, die bisher nur in Regalen von wahren Sammlern zu entdecken waren, was sicherlich auch daran liegt, dass es zu dieser Zeit in New Orleans einfach keine Niederlassung der Majorlabels gab. So wurde die gesamte Musik von kleinen lokalen Labels in meist nicht sehr großen Auflagen veröffentlicht. Seit Jahrzehnten verschmolzen in New Orleans unterschiedlichste schwarze Musikstile: Der Rhythmus der haitianischen Voodootänze traf auf jamaicanischen Ska und Reggae, der sich wiederum in den Sound der Blaskapellen der traditionellen Trauerparaden in New Orleans mischte. Kein Wunder also, das hier etwas Neues entstand.

Für unterschiedlichste Richtungen musikalischer Exzesse ist auch das Label Grand Royal der Beastie Boys bekannt. Da sich die Beastie Boys selbst inzwischen auf die Rolle von Produzenten, Modemachern und Menschrechtsaktivisten (Free Tibet) verlegt haben, ist es um sie eher ruhig geworden. Mit offensichtlicher Lust auf musikalisches Austoben hat Ad Rock mit BS 2000 ein kleines Seiten-Projekt angekurbelt. Und das erinnert auf wundervoll dilettantische Art an die ersten Scheiben der BB. Anstelle von dicker Produktion und Perfektion klingt alles nach LoFi-Casiodrumcomputer. So wechseln sich süße Orgelminiaturen mit gewohnt ungepflegtem Gesang und billigsten Programmierungen ab. Mal im sanften Übergang, meist aber mit einem abruptem Stilbruch. Ein wahres Dada-Punk-Pop-Kitsch-Album, das den Titel Simply Mortified (Einfach Peinlich), nicht wirklich verdient hat ­ denn BS 2000 beweist Stilsicherheit im Zeichen von Ironie und Humor.

Recht unterschiedliche Stile versammelt seit Jahren auch das Berliner Label Kitty-Yo. Auf der ruhigeren Seite befindet sich Raz Ohara. Mit warmen Melodien und runden Arrangements glänzte Raz Ohara schon auf seinem ersten Album. Doch was er mit The Last Legend vorlegt, ist eine Art Kachelofen für kälteste Wintertage. Meistens reduziert auf Gitarre, seinen unaufdringlich direkten Gesang und bei vollständigem Verzicht auf ein Schlagzeug, wirkt sein Songwriting bei aller Wärme cool und ausgereift. Ab und zu wabert Elektronik im Hintergrund und der Gesang bekommt durch Hall eine Zusatzportion Tiefe, so dass „The Last Legend" nie langweilig wird. Dass es einen dabei schon mal melancholisch anspringt, ist aber überhaupt nicht schlimm, denn man fühlt sich mehr als gut aufgehoben in der musikalischen Begleitung von Herrn Ohara.

Marcus Peter

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