Ausgabe 01 - 2001berliner stadtzeitung
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Zurück an neuer Wirkungsstätte

Interview mit der neuen Stadträtin für Stadtentwicklung im Bezirk Mitte, Dorothee Dubrau (für Bündnis 90/Grüne)

Frau Dubrau, Sie waren schon 1990 bis 1995 Baustadträtin in Mitte. Nach fünf Jahren in Prenzlauer Berg sind Sie nun als Stadtentwicklungsstadträtin sozusagen zurückgekehrt. Seitdem hat sich einiges verändert.

Für das Bauen sind fünf Jahre kein so wahnsinnig langer Zeitraum. Es gibt eine ganze Menge Sachen, über die wir schon vor fünf Jahren diskutiert haben und die immer noch nicht weiter sind. Bei anderen Sachen, die damals in
den Planungsvorbereitungen gewesen sind, werden jetzt die ersten Baumaßnahmen durchgeführt.

Das vormalige Bauamt ist nun auf zwei Stadträte verteilt worden. Ergeben sich daraus Probleme in der Kompetenzenabgrenzung?

Wenn man mal vom Wohnungsamt absieht, sind das im wesentlichen zwei Bereiche. Das Bauen ist bei Herrn Lamprecht und die Planung liegt bei mir. Es ist schwierig, in jedem einzelnen Fall die Schnittstelle zu finden. Dass es da nicht zu Verlusten bei der Arbeit kommt, kann nur gelingen, wenn es eine abteilungsübergreifende Zusammenarbeit gibt.

Wo sind in den nächsten vier Jahren die Schwerpunkte Ihrer Arbeit?

Auf der einen Seite ist es das, was in den vergangenen Jahren auch in Prenzlauer Berg meine Haupttätigkeit war, nämlich die Beschäftigung mit den Sanierungsgebieten, Milieuschutzgebieten und mit dem Quartiersmanagement, das heißt in den Bereichen, in denen sowohl bauliche und gesellschaftliche Probleme aufgetreten sind und wo man versuchen muss, im Sinne der sozialen Stadt die Innenstadtbereiche zu stärken und ihnen auch die Möglichkeit der weiteren Entwicklung zu geben. Das ist sicher im Wedding und in Teilbereichen von Tiergarten ausgesprochen schwierig. Zum anderen gilt es, in den Sanierungsgebieten die Erneuerungsmaßnahmen gerade auch im kommunalen Bereich zu befördern ­ Spielplätze, Straßenraumgestaltung, Schulen usw. Das ist bisher immer ein bisschen hinten runtergefallen und wurde erst durch das Programm „Stadtweite Maßnahmen" überhaupt wieder hervorgeholt. Ich habe in den letzten Jahren die Erfahrung gemacht, dass die Gestaltung von Freiflächen immer in Zusammenarbeit mit den Bewohnern erfolgen muss, damit die Anlagen den Bedürfnissen der Anwohner entsprechen, von ihnen angenommen und letztlich auch weniger zerstört werden.

Der zweite Bereich ­ damit war ich vorher in Mitte auch schon beschäftigt ­ sind die Gebiete, wo sich die Investoren der Welt tummeln. Da gibt es ja noch einige ­ nicht mehr so viele ­ freie Stellen, wo Bebauungsplanungen laufen, wo Regierungsplanungen noch nicht abgeschlossen sind, wo Botschaften gebaut werden sollen und ähnliches. Auch da müssen wir uns weiterhin als Bezirk stark machen gegenüber der Senatsverwaltung, die nach Möglichkeit immer solche Verfahren an sich ziehen möchte, um allein zu entscheiden. Und dann gibt es mit dem Tiergarten ­ für mich erstmalig ­ eine Grünanlage dieser Größenordnung, die vor Ansprüchen, die von vielen Seiten kommen, geschützt werden muss, um Erholungsraum der Bewohner zu sein.

Gibt es überhaupt eine Chance, die Love-Parade dort zu verhindern?

Das wird sicher nicht einfach sein. Wir werden dem Senat gegenüber die Meinung vertreten, die der Bezirk Tiergarten ja schon seit vielen Jahren vertreten hat, dass diese geschützte Grünanlage nicht für Großveranstaltungen ausgenutzt werden darf.

Dass der Senat in die Kompetenzen des Bezirks eingreift, ist ja gerade in Mitte ein großes Problem.

Ja, dieses Problem gab es in Prenzlauer Berg so gut wie gar nicht. Für den Senat hörte die Planung immer kurz hinter dem Alexanderplatz auf. In Mitte ist die Situation eine ganz andere. Hier versuchen Senat und Bund immer wieder, bezirkliche Angelegenheiten an sich zu ziehen. Ich glaube, es liegt auch ein bisschen an der Art, wie man sich als Bezirk darstellt und versucht, Probleme zu lösen. Es führt überhaupt nicht weiter, wenn man sämtliche Planungen total blockiert. Man muss einfach versuchen, in allen Planungsberatungen als Bezirk möglichst mit einer einheitlichen Meinung präsent zu sein. Dann hat man auch Chancen, seine Ansprüche geltend zu machen. Trotzdem sind eigene Ideen wesentlich schwerer durchzusetzen als in Prenzlauer Berg oder Wilmersdorf. Das heißt für mich aber nicht, dass man den Senat einfach machen lässt. Das habe ich in der Vergangenheit nicht gemacht und werde ich in Zukunft auch nicht tun.

Ihr Amtsvorgänger Thomas Flierl wurde schnell als „Verhinderer" abgestempelt. Beim Thema Denkmalschutz war das bei Ihnen vor fünf Jahren nicht anders. Kann man in Mitte überhaupt mehr machen als abwehren?

Das glaube ich schon. Aber man muss mit konstruktiven Vorschlägen aufwarten. Es gibt eine ganze Anzahl von Projekten, wo durch Möglichkeiten, die der Bezirk angeboten hat, am Ende bessere Ergebnisse rausgekommen sind. Wichtig ist auch eine frühzeitige Abstimmung. Diverse Investoren haben mir schon gesagt: „Wenn ich von Anfang an ganz klar weiß, wie die Vorgaben sind, dann kann ich mit fast allem leben. Die Schwierigkeit bei euch ist, dass die unterschiedlichen Bereiche des Landes Berlin auch die unterschiedlichsten Vorstellungen haben und diese auch durchsetzen wollen."

In Prenzlauer Berg haben Sie neun Milieuschutzgebiete durchgesetzt. In (Alt-)Mitte gibt es bisher nur eins. Sehen Sie da Handlungsbedarf?

Auf dem Gebiet will ich unbedingt weitermachen. Ich gehe allerdings davon aus, dass die Größenordnung, in der der Milieuschutz in Prenzlauer Berg innerhalb der fünf Jahre durchgesetzt worden ist, hier sicher nicht zu erreichen ist und vielleicht auch nicht so notwendig ist. Aber das Instrument an sich, was ich hier in Mitte vor fünf Jahren mit der Friedrich-Wilhelm-Stadt ja schon angefangen hatte, ist aus meiner Sicht weiter auszubauen.

Im Gegensatz zu Mitte und Teilen Tiergartens herrscht im Wedding kein Investitionsdruck, so dass eine Milieuschutzsatzung dort kaum greifen
würde.

Das ist wohl richtig. Ich glaube, an dieser Stelle ist das, was dort in den letzten Jahren im Quartiersmanagement gelaufen ist, weiter auszubauen. Dabei muss das Quartiersmanagement umfassend behandelt werden. Wir haben im Bezirksamt beschlossen, dass mit dem Bürgermeister die wichtigste Persönlichkeit im Bezirk mit dem Thema beschäftigt ist und dass alle Abteilungen ressortübergreifend an dieser Problematik mitarbeiten, denn es geht darum, alle Kräfte zu bündeln, um in diesen prolematischen Gebieten die Entwicklung voranzutreiben.

Hieße das nicht auch, dass das Quartiersmanagement in seiner Laufzeit verlängert werden müsste?

Auf jeden Fall. Diese drei Jahre sind für eine Startphase erstmal völlig in Ordnung, aber wir haben in der Diskussion mit Herrn Strieder dargelegt, dass es ein langfristiges Instrument ist, das analog zu den Sanierungsgebieten auch nur in seiner Langfristigkeit zu Veränderungen führen kann. Ansonsten bleibt es eine Hauruck-Aktion und dann ist das ganze Thema wieder vergessen.

In den Sanierungsgebieten hat Stadtentwicklungssenator Strieder kürzlich den fünfjährigen Geltungszeitraum der Mietobergrenzen in Frage gestellt.

Ich möchte unbedingt einen Termin mit Herrn Strieder ­ zusammen mit den anderen betroffenen Stadträten, Herrn Bossmann aus Pankow und Herrn Geisel aus Lichtenberg-Hohenschönhausen ­, um ihm die unterschiedliche Situation in den Bezirken darzulegen und daraus auch die Notwendigkeit der Mietobergrenze zu begründen. Das Problem ist, dass Herr Strieder mit seiner Kreuzberger Erfahrung, die mit den heutigen Sanierungsgebieten ja nicht mehr zu vergleichen ist, meint, dass eine Mietobergrenze das Sanieren verhindern würde. Das ganze Thema ist aber vielschichtiger. In den Sanierungsgebieten, mit denen ich zu tun hatte, ist der Modernisierungsprozess sowohl mit öffentlichen Geldern als auch durch Privatinvestitionen extrem vorangetrieben worden. Das Grundproblem ist nicht eindeutig mit der Verdrängung ärmerer Bevölkerungsschichten zu benennen. Es ist häufig so, dass die ganz Armen bleiben, weil sie über Härteausgleich oder ähnliches die Möglichkeit haben, eine sanierte Wohnung zu bekommen oder in unsanierte Bestände ziehen. Auf der anderen Seite gibt es einen Zuzug von Besserverdienenden, meistens Alleinstehende oder Kleinstfamilien. Diejenigen, die am ehesten gehen, gehören der Mittelschicht an, die für die Stabilität eines Gebietes so wichtig sind, etwa der Kraftfahrer und die Verkäuferin mit den zwei Kindern. Das hat dazu geführt, dass in der Innenstadt die Schulen und Kindergärten leerlaufen und dass am Stadtrand und im Umland Siedlungen entstanden sind, die aus meiner Sicht stadtpolitisch nicht unser Ziel sein sollten. Solange wir durch Steuerabschreibungen, Eigenheimzulagen und was es da sonst noch alles gibt eine Benachteiligung der Innenstadt haben, wird es weiterhin problematisch sein, diese Familien in der Innenstadt zu halten. Da ist die Stadt Berlin gefragt, Bedingungen zu schaffen, die für Familien akzeptabel sind. Dazu gehört auch, die Mieten für diese Klientel erträglich zu halten. Daher halte ich es für unverzichtbar, dass das Instrument Mietobergrenze gestärkt wird.

Wie wird Mitte 2004 aussehen?

Ich hoffe, dass Mitte mit seiner vielfältigen Bevölkerungsstruktur auch weiterhin erhalten bleibt, als Innenstadtbereich, in dem neben dem Arbeiten auch das Wohnen und die Erholung möglich sind. Das ist eine Zielsetzung, die wir seit Anfang der neunziger Jahre für den damals noch kleinen Bezirk Mitte verfolgt haben, und das ist das, wofür ich mich auf jeden Fall einsetzten will. Darüber hinaus gibt es noch ein paar Punkte, wo ich es schon ganz schön fände, wenn man ein Stück weiterkäme. Zum Beispiel das Stadion der Weltjugend, das damals für Olympia abgeräumt wurde, ist noch immer eine Brache. Viele Freiflächenplanungen sind ebenfalls nicht weiterverfolgt worden, wie etwa der Luisenstädtische Kanal. Es gibt eine Vielzahl solcher Punkte, wo ich mir wünschen würde, dass wir in den nächsten Jahren Zielsetzungen, die eigentlich nicht neu sind, in die Praxis umsetzen können.

Interview: Jens Sethmann

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