Ausgabe 09 - 2000berliner stadtzeitung
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Neue Brücke für Berliner Off-Theater: Das Theaterhaus Mitte

Ein Interview mit dem Leiter des Kulturamtes Berlin-Mitte, Thomas Liljeberg

Das Theaterhaus Mitte wird am 13. Oktober seine neuen Räume im Schulgebäude am Koppenplatz eröffnen. Das Theaterhaus Mitte ist keine völlige Neugründung, sondern entwickelt das schon seit Jahren eingeführte Konzept des Theaterprobenhauses Mitte weiter, das zuletzt schräg gegenüber im ehemaligen Umspannwerk am Koppenplatz seine Räume hatte. Mit der Umbenennung des Theaterprobenhauses in Theaterhaus Mitte soll nun die größere Bandbreite der Angebote für die Berliner Off-Theaterszene auch im Namen deutlich werden. Gleichzeitig versucht man durch den Umzug zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: die Theaterstätte zu erhalten und das seit einiger Zeit leerstehende Schulgebäude wieder zu nutzen. Zum dritten Mal seit 1992 neue Räume. War der Umzug ein letzter Rettungsversuch?
Das kommt auf den Blickwinkel an. Natürlich wollen wir dieses in Berlin einmalige Projekt erhalten, vor allem aber langfristig weiterentwickeln. Bieten doch veränderte Räumlichkeiten immer auch die Chance, ein Konzept zu erweitern oder zu modifizieren. Im übrigen rettet sich dieses Haus seit seiner Gründung durch hohe Auslastung immer wieder selbst.

Es gibt Pfefferberg, TachelesÉ
Aber keine Stätte für freie Theatergruppen in Berlin, die so konzentriert systematisch und kostenfrei Probenmöglichkeiten bietet wie das Theaterprobenhaus. Je weniger Geld fließt, um so wichtiger ist der Ansatz des Hauses, das finanzielle Nadelöhr freier Theatergruppen zu treffen: die Senkung der Produktionskosten durch mietfreie Räume. Auch das Kulturamt ist gezwungen, seine Finanzstruktur zu restrukturieren, indem wir in landeseigene Immobilien umziehen. Den Mietetat von drei Millionen Mark seit 1995 werden wir bis Ende 2001 auf 25000 Mark drücken. Die Zwischennutzung der Schule erspart dem Land Leerstandskosten, sichert aber vor allem eine der originellsten künstlerischen Einrichtungen der Stadt.

Also doch eine Entscheidung aus Not?
Nein, vor allem eine Chance, die Wirkung des Hauses zu erhöhen. Unser Ansatz ist es, mehr Dienstleistungen für freie Theatergruppen zu entwickeln. Hauptdienstleistung ist weniger die im neuen Haus geplante Spielstätte. Wir wollen einen Kommunikationsort und durch einen Angebotsfächer Kommunikation und künstlerische Transparenz in der freien Szene stiften. Es wird einen Theaterclub geben. Dieses Projekt ist ausgeschrieben, wir warten aber noch auf ein interessantes, eben nicht nur gastronomisches Konzept. Auf Wunsch der Gruppen werden ein Fundus, eine multifunktionale Werkstatt sowie Lagermöglichkeiten geschaffen.

Neu ist auch die Kooperation mit einem freien Träger.
Das spart dem Kulturamt nicht nur Personalkosten, sondern erschließt auch differenzierte Förderwege. Kooperationspartner wird "Förderband", Kultur-initiative Berlin, ein Träger mit Erfahrungen in der freien Theaterlandschaft. Förderband wird vor allem ein Servicebüro betreiben. Die freien Gruppen können sich in dramaturgischen und bühnentechnischen Fragen sowie in Förderangelegenheiten beraten lassen und professionelle Öffentlichkeitsarbeit betreiben. Außerdem wird das Archiv des Theatervereins Spott e.V. dort nutzbar sein und eine Theaterbibliothek entstehen.

Die Leitung des Hauses übernimmt also Förderband?
Förderband ist Hauptkooperationspartner, abgesichert durch einen Vertrag. Ansonsten wird sich eine Struktur entwickeln mit Eigenverantwortlichen für jeweils einen Bereich. Das Kulturamt lebte von jeher davon, dass sich viele Leute selbst verantwortlich fühlen und Projekte so in einem veränderbaren Zustand erhalten, also nie an einem Endpunkt anlangen. Sonst müsste man das Haus oder Projekt schließen.

Wie kann die Finanzierung laufen, aus den Einnahmen der geplanten Spielstätte?
Die Spielstätte ist ein Ort für sich und wird nicht direkt die Arbeit des Probenhauses spiegeln. Wie das Probenhaus offen ist für freie Theatergruppen, nicht nur aus Mitte, sondern aus ganz Berlin, hat auch die Spielstätte einen Schwerpunkt: professionell Theaternachwuchs zu fördern. Angedacht ist Einnahmenteilung, denn für das Haus entstehen ja Gesamtkosten. Förderband wird beauftragt, einen Infrastrukturfonds einzurichten, aus dem auch Solidarleistungen ergehen an Projekte, die keine Einnahmen erwirtschaften können, in den die freien Gruppen aber auch selbst einzahlen. Denn ganz sicher haben sie ein Interesse, die Ausstattung des Hauses gemeinsam zu verbessern.

Welchen finanziellen Beitrag leistet der Senat?
Es ist schon ein Dilemma. Auf der einen Seite wird mit der Off-Szene im Ausland geworben. Andererseits betteln wir seit Jahren in der Senatskulturverwaltung um Geld für professionelle Rahmenbedingungen. Man kann die dezentrale Kulturförderung nicht allein den Bezirken überlassen. Dass wenig Geld da ist, bestreitet auch aus der Off-Szene niemand. Aber kommt es punktuell auch dort an, wo langfristig Effekte erzielt werden?

Bleibt als Weg die Kooperation mit etablierten Bühnen oder private Sponsoren?
Auch das wird sich entwickeln. Was die Spielstätte betrifft, sind wir im Gespräch mit dem Theater am Halleschen Ufer, den Sophiens¾len und Tacheles. Ich bin mir sicher, dass Häuser wie die Volksbühne oder das Hebbeltheater fördernd eingreifen. Doch noch einmal will ich betonen: Zum Theaterspielen braucht es zunächst nur einen schützenden Raum. Und diese Grundbedingung haben wir gesichert. Übrigens auch über Berlin hinaus durch Kooperation mit dem Schloss Bröllin. Die Brölliner können Proben- und Auftrittsmöglichkeiten über Berlin hinaus bis ins Ausland vermitteln.

Mehr künstlerische Qualität also mit weniger Geld?
Das ist keine Frage des Geldes. In einer Umfrage haben wir gerade ermittelt, welche qualitativen Verbesserungen sich die Gruppen wünschen und selbst schaffen können. Vor allem die professionelle Beratung wird die künstlerische Qualität fördern. Dennoch bleibt in diesem Haus Theater auch versuchte Selbsterfahrung und Seelentröster. Gruppen mit geplanter Aufführung in der anliegenden Spielstätte, können dort eine zusamenhängende Endprobenzeit erhalten. Wir werden das Verschachtelungssystem aufgeben, so dass ein Probenraum zusammenhängend von einer Gruppe genutzt werden kann. An der Gesamtprobenzeit von maximal drei Monaten im Jahr ändert sich aber nichts.

Was wünschen Sie sich für die Eröffnung am 13. Oktober?
Ein richtiges Theaterfest im Sinne des Konzeptes, Kommunikation zu stiften zwischen freien Theaterleuten und für eine dezentrale freie Theaterlandschaft. Übrigens auch in den Kiez hinein. Nicht umsonst nutzt die Betroffenenvertretung Spandauer Vorstadt Räume im Haus.

Interview: Sonja Kemnitz

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