Ausgabe 07 - 2000berliner stadtzeitung
scheinschlag

Diese Ausgabe

Inhaltsverzeichnis


Zur Homepage

Kommunikation auf Stelzen

Das neue Pfefferberg-Konzept hat für "Kultur von unten" nicht mehr viel übrig

Warum besuchen Sie einen kulturellen Veranstaltungsort wie den Pfefferberg? Der Kultur wegen. Natürlich. Na gut, wir geben zu, wir wollen auch mal wieder unter Leute kommen, meine Frau und ich. Hier kann man schön im Biergarten sitzen. Vorne spielt die Band, nicht allzu laut, so daß man sich noch unterhalten kann.

Den Wert der Kommunikation hält auch die "Pfefferberg EntwicklungsGmbH & Co KG" sehr hoch. Aber sie meint etwas ganz anderes. Mit etwas Glück kann man unser Paar auf dem Pfefferberg von morgen - um der bessereren Kommunikation willen - weltweit Im Internet bestaunen, wie es gerade seine Humpen hebt.

Alles begann vor zehn Jahren, als sich über sechzig soziale und kulturelle Projekte zu "Pfefferwerk Stadtkultur e.V." zusammenschlossen, um ein soziokulturelles Projekt ins Leben zu rufen. Gemeisam wollte man die alte Brauerei kaufen und instandsetzen. Viel hat sich seit den Anfängen verändert. Da an einen Kauf lange nicht zu denken war, wichen die Projekte nach und nach auf andere Räumlichkeiten aus. "Pfefferwerk" professionalisierte sich und verzweigte sich zu einem "Pfefferwerk Verbund", dem die Entwicklungsgesellschaft angehört. Sie sollte weiterhin ein Sanierungskonzept finden - lange Zeit ein Projekt ohne Bodenhaftung, da die Eigentumsfrage nicht geklärt werden konnte. Im Dezember 1999 wurde die "Pfefferwerk-Stiftung" Eigentümerin der Immobilie. Das Raumschiff landete, die Crew stieg aus, besah sich die alten Bestände und suchte nach einer neuen Idee.

Etwas Großartiges sollte es werden, etwas Junges, Künstlerisches, Innovatives, und natürlich ... etwas Kommunikatives. Ein Konzept wurde erdacht, und in einer vorläufigen Fassung den Anwohnern vorgestellt. Am 20. Juni kam man in recht kleiner Runde im Platzhaus am Teutoburger Platz zusammen. Beide Seiten staunten nicht schlecht: die Geschäftsführerin der Entwicklungsgesellschaft Petra Harms über die ausbleibende Begeisterung und die Anwohner über die spacigen Vorstellungen der Pfefferberg-Leute, die doch früher einmal für Kultur von unten gestanden hatten.

Renommee aus Übersee

Ziel der Entwicklungsgesellschaft ist es, den Pfefferberg zu einem internationalen Kultur- und Medienstandort auszubauen. Gastronomie und soziale Dienstleistungen will man passend darum herum gruppieren. Konzerte und Tanzveranstaltungen sollen in Zukunft etablierte Clubs aus Berlin, Köln und New York organisieren. Renommierte und traditionelle Galerien sollen ein finanzkräftiges und kunstinteressiertes Publikum anziehen. Auch von einer Koexistenz von Off-Galerien ist die Rede. Das Lieblingskind der Projektentwicklung aber heißt "neue Medien": Mediendesign, Softwareentwicklung und vieles mehr soll es auf dem zukünftigen Pfefferberg geben. "Webcells" - transportable Computerarbeitsplätze mit einer Art Kinderwagenverdeck gegen Wind und Wetter - werden in der Vision der Entwickler auf dem Gelände verteilt. Videokameras sollen das Geschehen auf dem Gelände abfilmen, um es als virtuellen Raum ins Netz zu stellen. Das alles soll "eine bessere Kommunikation zwischen den Besuchern und denjenigen, die an das Internetgelände angeschlossen sind, ermöglichen", kann man der Broschüre zum Konzept entnehmen. "Wir kommunizieren hier nicht über die Medien miteinander, sondern von Nachbar zu Nachbar", entgegnete eine Anwohnerin.

Gestelzte Röhre

Nicht alle Ideen zum neuen Pfefferberg sind so immateriell: Das "Gehirn" oder die Zentrale der Medien- und Kultur-events soll in Form einer Röhre auf Stelzen Gestalt annehmen - eine sogenannte "tube". Ihre Außenhaut wird eine Screenwand sein, auf der das laufende Kulturprogramm übertragen wird. Der Architekt Bernhard el Khoury möchte den Charme von Brüchen und Gewachsenem an der Bausubstanz erhalten, konzipiert seine Screenröhre aber so, daß sie die bauliche Gestalt des Pfefferbergs mit seinen verwinkelten Höfen radikal aufbricht. Das Gebäude, das zur hinteren Seite den Biergarten abschließt, würde abgerissen werden. Petra Harms betont den vorläufigen Charakter des Entwurfs. Noch ist er nicht mit dem Bezirk und den Behörden abgestimmt, und daher noch nicht offiziell.

Werden auch kleinere kulturelle und soziale Projekte zwischen all den medialen Inszenierungen noch Platz finden? Im Gegensatz zum Konzept von 1991 geht die jetztige Planung von einer Sanierung ohne Fördermittel aus. Daraus ergibt sich eine Nettokaltmiete von etwa 19 DM/qm. Inwieweit dieses Angebot weniger kommerzielle Mieter anzieht, ist fraglich.

Große Sorgen bereitet den Anwohnern der Besucherandrang, den der Pfefferberg anziehen wird. Der Parkplatzsuchverkehr wird zunehmen und Gäste, die kommen und gehen, verursachen unvermeidlich Lärm. Schlimmer noch wäre die Vorstellung von Touristenströmen wie um die Hackeschen Höfe. Die Betroffenenvertretung Teutoburger Platz schlägt daher vor, das Tor zum Pfefferberg an der Christinenstraße wenigstens nachts zu schließen. "Der Teutoburger Platz ist jetzt noch einer der wenigen Plätze in Prenzlauer Berg, die funktionieren", sagt Karin Ludwig, Sprecherin der Betroffenenvertretung. "Hier kommen Anwohner miteinander ins Gespräch - eine fast dörfliche Sache, in einer anoymen Großstadt aber unerhört wichtig." Wenn das Gebiet aber erst von Scharen von Kulturkonsumenten erobert würde, wäre diese Struktur schnell zerstört.
Tina Veihelmann

© scheinschlag 2000
Inhalt dieser Ausgabe | Home | Aktuelle Ausgabe | Archiv | Sitemap | E-Mail

  Ausgabe 07 - 2000