Ausgabe 06 - 2000berliner stadtzeitung
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Biotechnik statt Biotop

Statt eines Stadtparks entsteht an der Schwedter Straße nur ein "Pocketpark"

Der Einsatz der Bürgerinitiative "Schwedter Stadtpark" war vergebens. Auf dem Grundstück Schwedter Straße 37-40 im Sanierungsgebiet Teutoburger Platz wird kein Stadtpark entstehen. Lediglich die Hälfte der 12 000 Quadratmeter wird als öffentlich zugängliche Grünfläche gestaltet. Den Rest dürfen zwei Biotechnikfirmen mit Gewerberäumen bebauen. So lautet der einstimmig gefasste Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Prenzlauer Berg.

Eine Diskussionsveranstaltung des "Stadtforums von unten" unter dem Titel "Hightech, Arbeitsplätze und ein Park im Prenzlauer Berg - geht das zusammen?" kam zu spät und konnte nur noch rückblickend die Entwicklung betrachten. "Die Sache ist gegessen", stellte Moderator Werner Orlowsky gleich zu Anfang fest.

Auf dem Gelände befinden sich weitgehend leerstehende Baracken. Ursprünglich wollte der Bezirk hier eine neue Schule bauen, doch schon längst war klar, dass es für eine neue Schule auf absehbare Zeit keinen Bedarf geben wird. Die Betroffenenvertretung Teutoburger Platz setzte sich daher seit 1998 dafür ein, statt der Schule eine öffentliche Grünfläche als Sanierungsziel festzuschreiben. Es bildete sich eine Bürgerinitiative, die für die Umgestaltung zu einem großen Park eintrat, um das enorme Grünflächendefizit zu vermindern.

"Scheinbar vergessen"

Doch Bewegung kam erst in die Sache, als die Biotechnologiefirmen "Epigenomics" und "Biopsytec" sich für die Fläche interessierten. Die beiden Unternehmen sind vor eineinhalb Jahren in die Kastanienallee 24 gezogen. Die Räume wurden den expandierenden Firmen jedoch schnell zu eng. Bei der Suche nach Ausdehnungsmöglichkeiten fiel ihr Blick zuerst auf die benachbarte Brache. "Die Fläche war scheinbar von der ganzen Welt vergessen", sagte Aron Braun von "Epigenomics" auf dem "Stadtforum von unten". "Wir waren anfangs naiv", erzählt er, "doch dann haben wir erkannt, dass es eine Betroffenenvertretung und eine Bürgerinitiative mit einem Konzept für das Gelände gibt."

Dennoch machten sie dem Bezirksamt die "Offerte", auf der Fläche Gewerbebauten zu errichten und hochqualifizierte Arbeitsplätze zu schaffen. Die Firmen wollen auf jeden Fall in Prenzlauer Berg bleiben, denn, so begründet Braun, "mit dem Standort können wir gute Mitarbeiter anwerben." Im ganzen Bezirk habe man keine passenden Altbauten finden können.

Seltene Einmütigkeit

Auf der politischen Ebene wurde man sich außerordentlich schnell einig. Obwohl beispielsweise die PDS-Fraktion in der BVV zunächst 8000 der 12000 Quadratmeter als öffentlichen Park sichern wollte, schloss man einen Kompromiss, der nur 3000 Quadratmeter öffentliche Grünfläche vorsieht. Dazu kommen weitere 3000 Quadratmeter Freifläche, die den Biotechnikfirmen gehören, aber für alle zugänglich sein müssen. Dafür dürfen sie die restlichen 6000 Quadratmeter bebauen. Im Gegenzug verzichten die Investoren auf oberirdische Parkplätze und beteiligen sich an der Finanzierung der Verkehrsberuhigung in der Schwedter Straße.

Bis auf die Bürgerinitiative und die Betroffenenvertretung sind alle mit der Lösung zufrieden. In seltener Einmütigkeit hat die BVV einstimmig die entsprechende Änderung der Sanierungsziele beschlossen. Für die Vorsitzende des Stadtentwicklungsausschusses Claudia Nier (PDS) ist die Lösung "optimal". "6000 Quadratmeter öffentlich nutzbare Grünfläche ist ein Erfolg für die soziale Stadtentwicklung", meint Sabine Schilf vom Sanierungsträger S.T.E.R.N., und Wirtschaftsstaatssekretär Volker Liepelt (CDU) sprach von einem "idealtypischen Kompromiss" und einer "sehr geglückten Lösung".

Engagement vergeblich

"Wir sind nach wie vor nicht einverstanden", sagte Matthias Heyden von der Bürgerinitiative. Er wies darauf hin, dass in den Berliner Innenstadtbezirken über eine Million Quadratmeter Gewerbeflächen leerstehen und andererseits in Prenzlauer Berg ein riesiger Mangel an Grünflächen besteht. Das Hauptargument der Kompromissbefürworter, der Bezirk könne es sich nicht leisten, einen größeren Grundstücksanteil zu kaufen, um ihn zur öffentlichen Grünfläche umzugestalten, erkennt Heyden nicht an. Der Senat gebe Millionen für die Umgestaltung prominenter Plätze aus. Auch habe man Alternativen zum Kauf des Geländes, etwa eine Erbpacht, nicht geprüft.

Noch mehr ist Matthias Heyden aber über das Verfahren verärgert: "Das Wesentliche wurde hinter verschlossenen Türen beschlossen", konstatiert er. "Bürgernahe Stadtentwicklung ist zum Derivat geworden."

Die Verbitterung der Bürgerinitiativler kann man gut verstehen, wenn man sieht, dass ein kapitalkräftiger Investor mit geringer Ortsbindung nur das Zauberwort "Arbeitsplätze" zu sagen braucht, um seine Wünsche in Erfüllung gehen zu lassen. Dass damit das lange Engagement der Bewohner mit einem Handstreich zunichte gemacht wird, ist ein verheerender Schaden. Jeder der düpierten Bürger wird sich genau überlegen, ob es sich lohnt, sich noch einmal für den Kiez so sehr ins Zeug zu legen. Da hilft auch die Zusage nichts, die Anwohner können bei der Ausgestaltung des kleinen Parks mitentscheiden.

Es werden weiterhin Familien mit Kindern an den Stadtrand fliehen, weil es in der Innenstadt zuwenig Grün gibt. Weitere Schulstandorte werden in Prenzlauer Berg überflüssig, womit sich der Kreis wieder schließt. Konsequenterweise sollte man den Investoren gleich die leeren Schulgebäude als Gewerbestandort anbieten.
Jens Sethmann

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