Ausgabe 06 - 2000berliner stadtzeitung
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Umsetzwohnungen für tierische Sanierungsbetroffene

Für Falken, Schwalben, Mauersegler und Fledermäuse ist auch unter sanierten Dächern noch Platz

Naturgemäß ist der Umgang mit geschützten Tierarten in urbaner Umgebung sehr konfliktreich. Die Belange der "menschlichen" Bewohner vertragen sich nur selten mit denen der tierischen. Dass dies nicht immer so sein muss, versucht ein seit 1998 bestehendes und aus EU- und Senatsmitteln finanziertes Gemeinschaftsprojekt der Landesverbände der Grünen Liga und des NABU mit dem Titel "Arbeitsgemeinschaft Artenschutz an Gebäuden" (ASAG) insbesondere den Bauherren, Hauseigentümern und -verwaltern der Stadt zu vermitteln. Im Blickpunkt der Arbeitsgruppe stehen vor allem Fledermäuse und gefiederte Freunde wie Turmfalke, Mauersegler und Mehlschwalbe. Bevorzugter Lebensraum dieser Tiere sind vom Menschen unbeachtete Dachböden und kleine Nischen im Mauerwerk. Durch Dachausbau und Sanierung alter Gebäude wird auch der Lebensraum dieser Arten reduziert.

Turmfalke und andere geschützte Vogel- wie auch Fledermausarten erlitten in den letzten Jahren etwa im Bezirk Mitte einen dramatischen Bestandsrückgang. Von 28 bekannten Turmfalkennistplätzen im Jahr 1992 sind mittlerweile nur noch acht gesichert. Selbst so scheinbar unverwüstliche Stadtbewohner wie der gemeine Spatz sind arg bedroht: seit 1990 ist der Bestand in Mitte um ein Drittel zurückgegangen. In den meisten Bezirken Westberlins, wo bereits viel saniert wurde, findet man diese Tiere fast gar nicht mehr.

Den Nachteil dieser Entwicklung macht Tanja Thiele von der ASAG deutlich: "Sanierungs- und Modernisierungsprojekte ergeben meist liebevoll restaurierte, schöne Hausfassaden und Wohnungen, doch fehlt den Innenhöfen danach das Leben und der Gesang der gefiederten Mitbewohner. Auch die Rundflüge der Fledermäuse, die man an warmen Sommerabenden beobachten konnte, sind dann passé." Wie groß die Sehnsucht nach Natur jedoch sei, zeige sich in den als grüne Ruheinseln gestalteten Balkonen und Terrassen mit Pflanzen, Futterhäuschen und Nistkästen.

Mit den geschützten Arten geht demnach auch ein Stück Lebensqualität verloren, ein wichtiges Argument für die ASAG gegenüber den Hauseigentümern. Solche Argumentationen sind wichtig, denn in Berlin nimmt das Baugenehmigungsverfahren so gut wie keine Rücksicht auf diese Thematik und deshalb müssen die Bauherren schon freiwillig mitmachen. Die Unteren Naturschutzbehörden zeigen sich machtlos, da ihnen das Gros der Bautätigkeiten unbekannt bleibt.

Die Schutzmaßnahmen können sich konkret sehr variabel gestalten. Mit einfachen und kostengünstigen Mitteln lassen sich im Dachraum Lebensstätten für Fledermäuse und in Dachkästen Platz für kleine Stadtvögel schaffen. Die vielfach bestehende Sorge, mit solchen Lebensraumangeboten auch ungebetene Gäste, wie Stadttauben anzulocken, ist unbegründet, da die Eingänge für die "fliegenden Ratten" viel zu klein sind. Durch Sanierungsmaßnahmen zerstörte Nistplätze können durch künstliche Nisthilfen ersetzt werden. Für den Fall, dass die tierischen Bewohner, trotz der Lebensqualität, die sie mitbringen, dennoch nicht erwünscht sind, vermittelt die ASAG auch "Umsetzwohnungen".
Stefan Hoffmann

AG Artenschutz an Gebäuden, c/o Grüne Liga Berlin,Prenzlauer Allee 230, fon 44 33 91-83/-84/-86, fax -33. Beim Naturschutz- und Grünflächenamt Mitte, Karl-Marx-Allee 31, ist außerdem eine kostenlose "Biotop- und Artenschutzinformation für Bauherren" erhältlich.

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