Ausgabe 06 - 2000berliner stadtzeitung
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Blankenfelde in den Grunewald

Umsiedlung als letzter Ausweg aus der Schönefelder Einflugschneise

Die Gemeinde Blankenfelde will umziehen. Der 10 000-Einwohner-Ort im Landkreis Teltow-Fläming liegt direkt in der Einflugschneise des geplanten Großflughafens "Berlin Brandenburg International" (Schönefeld) und ist nicht bereit, den Dauer-Fluglärm hinzunehmen. Fast jede Minute wird eine Maschine Blankenfelde in nur 150 Metern Höhe überfliegen, lautet das Horrorszenario. Zu Fluglärm, Abgasen und abgelassenem Flugzeugbenzin kommt noch eine permanente Katastrophengefahr: Sollte ein Flugzeug beim Start abstürzen, ist die Gefahr groß, dass es mitten in Blankenfelde aufschlägt.

Schon jetzt unterliegt der Ort einer Art Veränderungssperre: Jegliche Entwicklungsmöglichkeiten wurden der Gemeinde genommen, damit nicht noch mehr Menschen in die Lärmschneise ziehen. Eine ähnliche "Fürsorge" der Landesregierung fordern nun auch die Blankenfelder selbst: Die Gemeindevertretung beschloss einstimmig, einen Antrag auf Umsiedlung zu stellen.

15 Milliarden Mark werde die Umsiedlung kosten, rechnete Bürgermeister Bernd Habermann (SPD) aus. Er hat auch schon einen Standort für "Neu-Blankenfelde" im Auge: "Wir könnten uns vorstellen, dass ein paar Quadratkilometer des Berliner Grunewaldes abgeholzt werden. Dort hätten wir ähnliche Standortbedingungen wie in Blankenfelde."

Natürlich möchte kein Blankenfelder wirklich verpflanzt werden, aber sollte der Flughafen tatsächlich gebaut werden, sei eine Umsiedlung "lebensnotwendig", so SPD-Ratsfrau Regina Ebel. Alle bisherigen Einwände der Gemeinde gegen den Großflughafen hat die Landesregierung ignoriert. "Als wir 24 000 Unterschriften gegen den Standort Schönefeld im Landtag eingebracht haben, haben die Abgeordneten nicht einmal von ihrer Zeitung aufgesehen", berichtet Bürgermeister Habermann. Die Gemeindevertretung sieht keinen anderen Weg mehr, den Politikern die Unmöglichkeit dieses Vorhabens deutlich zu machen. Die Gemeinde Eichwalde plant, sich dem Blankenfelder Beispiel anzuschließen und ebenfalls die Umsiedlung zu beantragen. Bewilligt ist bisher nur die Umsiedlung von Diepensee, das dem überdimensionierten Flughafenausbau vollständig weichen muss, sowie von Teilen Selchows.

Wenn es auch nur vage Arbeitsplatzzusagen gibt, ist die Brandenburger Landesregierung bereit, jegliche Investition zuzulassen, und nimmt dabei nicht einmal auf den menschlichen Lebensraum Rücksicht. Augenfälligstes Beispiel ist die durchgepaukte Abbaggerung des Lausitz-Dorfes Horno.

Die Berliner scheint das alles überhaupt nicht zu berühren. Man regt sich allenfalls über die angedrohte Flughafengebühr auf und sträubt sich gegen den einzigen Vorteil, den der Schönefelder Großflughafen hätte: die Schließung der innerstädtischen Flughäfen Tempelhof und Tegel. Die Aussichten, die vielfliegenden Hauptstädter, für die der Großflughafen eigentlich gebaut werden soll, mit dem Angriff auf ihr "Heiligtum" Grunewald aufzurütteln, dürften leider gering sein.

Im Planfeststellungsverfahren zum Großflughafen werden die Pläne noch bis zum 15. Juni in den betroffenen Gemeinden und in den Bezirksämtern Treptow und Köpenick öffentlich ausgelegt. Schriftliche Einwendungen können dort oder bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung noch bis zum 29. Juni eingereicht werden.
Jens Sethmann

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