Ausgabe 06 - 2000berliner stadtzeitung
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Kuba im Telenovela-Fieber

"Havanna Mi Amor" von Uli Gaulke

Havanna - so scheint es - ist zur Zeit ein sehr beliebter Ort für Filmemacher aller Art. Besonders deutsche Dokumentarfilmer haben die kubanische Hauptstadt für sich entdeckt. So reiht sich Havanna - so scheint es - ist zur Zeit ein sehr beliebter Ort für Filmemacher aller Art. Besonders deutsche Dokumentarfilmer haben die kubanische Hauptstadt für sich entdeckt. So reiht sich "Havanna Mi Amor" in einige sehr lebendige Momentaufnahmen vom Leben des Inselvolkes ein, die allesamt eines zelebrieren: die Menschen in Havanna.

Uli Gaulkes Film hat weder eine Band als Ausgangspunkt für seine Erkundungsreise ausgegraben, noch hat er den Anspruch, den Zuschauern als Reisetagebuch zu dienen. "Havanna Mi Amor" versucht jedoch, ähnlich wie "Buena Vista Social Club" von Wim Wenders oder "La Moderna Poesia" von Birgit Hein, ein Bild Havannas zu zeichnen, das sich mit dem alltäglichen Leben der Kubaner auseinandersetzt, ohne sentimental zu werden, das versucht herauszufinden, was sich hinter den Castro-Bildern verbirgt, wie es aussieht in den Herzen der Leute, und wie sie sich jeden Tag aufs Neue mit dem sozialistischen Alltag arrangieren.

Die Kamera, losgelöst von jedweder Beschränkung durch Stative und auf der erfahrenen Schulter des Kameramanns Axel Schneppats sitzend, ist einfach vor eine der vielen Fernsehreparaturwerkstätten Havannas plaziert. Sie beobachtet die Kundschaft, die ihre alten, kaputten sowjetischen Fernseher mit Karren zu dem Laden bringen, voller Hoffnung, daß sie vielleicht doch nicht ihre tägliche Dosis Telenovela, in europäischen Gefilden auch als Daily Soaps bekannt, verpassen. Einige von diesen Menschen begleitet die Kamera nach Hause, ohne zu wissen, was sie erwartet oder wie es dann weitergeht. Dort angekommen verlieren aber sowohl die Bewohner als auch die Filmcrew ihre Berührungsängste, was den Zuschauer so Zeuge verschiedener Schicksale werden lässt.

Da gibt es den Fernsehmechaniker José, dem seit der Trennung von seiner Frau nichts und niemand mehr Freude bereiten kann. Den Schmerz und die Freude ertränkt er in Rum. Auch seine Kunden, die nicht selten mit ihren reparierten Fernsehern und einem erwartungsvollen Grinsen im Gesicht zufrieden nach Hause schlurfen, haben oft genug Grund zum Klagen. Alleinstehende Frauen beschweren sich über faule Männer und die Lage auf dem Arbeitsmarkt. Verheiratete Männer sind überfordert mit ihrer Doppelrolle als Versorger und Liebhaber und resignieren, natürlich mit einem Glas Rum in der Hand.

Doch alle verbindet eine Leidenschaft: die allabendliche Flucht in eine Welt voller Liebe, Haß, Leidenschaft, Intrigen und Machtkämpfen. Die endlosen Telenovelas bieten ihnen Entspannung und Zeit zum Träumen von Liebe, Glück und Gerechtigkeit, zum Träumen von einer Welt, in der es immer Happy Endings gibt.

"Havanna Mi Amor" zeigt eine Stadt, in der sich der alltägliche Idealismus mit Enttäuschung vermischt, wo alte Lieben zerbrechen und neue entstehen, wo die altersschwachen Fernseher mehr über das Kuba von heute aussagen als die Programme, die darin gezeigt werden.
Inga von Kurnatowski

"Havanna Mi Amor". Deutschland 2000. Buch, Regie, Montage: Uli Gaulke. Kinostart: 29.6.

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