Ausgabe 01 - 2000berliner stadtzeitung
scheinschlag

Diese Ausgabe

Inhaltsverzeichnis


Zur Homepage

Großkunst

Womit hat es angefangen? Mit der Leuchtturmmetapher von der Hauptstadtkultur. Oder mit dem Hauptstadtbeschluß. Oder mit Ehrungen wie Theater, Schauspieler, Regisseur des Jahres? Oder mit Sondernummern einschlägiger Lifestylemagazine? Oder war es doch Dr. Motte? Oder war es am Ende Radunski? Wer kann schon sagen, wer die Verantwortung trägt für das "Vorwärts immer - rückwärts nimmer" der Berliner Kultur. Oder war es doch: Schneller, höher, weiter? Martin Wuttke denkt öffentlich darüber nach, wann an den Berliner Bühnen wohl Ablösesummen für die einschlägigen Mitarbeiter gezahlt werden. Die Schaubühnen-Crew macht für sich Werbung als Kommune II, also nackt und von hinten. Peymann verteilt Buletten auf Pressekonferenzen. Und alles wird noch besser, schöner, aktueller, politischer. Wollen die PR-Menschen uns glauben machen. Alle ziehen sie gegeneinander zu Felde und wollen doch das Eine: Mehr Beachtung, mehr Zuschauer, mehr Geld. Dafür zieht jeder Generalintendant gerne ins Feld.

Dabei fällt das Alternative flach. Versuche, auf Dikussionsveranstaltungen die alte Zeit der riesigen Möglichkeiten zu retten, wie im November in den Sophiens¾len geschehen, müssen fehlschlagen. Irgendwann ist das Flausenseminar vorbei. Man wird doch älter und reifer. Fühlt sich dann doch wieder ganz wohl in den früher so ausgetreten gewesenen Pfaden der Elterngeneration. Man geht wieder zurück in den Westen, nachdem im mittigen Osten nichts mehr von ihm übrig ist. Und die paar, die an ihren Prinzipien festhalten und einfach nicht schick werden können, krepeln so gerade dahin, wie das Acud beispielsweise, das doch eigentlich nicht mehr will, als weiter zu machen wie bisher - und damit Großwohnplänen im Wege steht. Noch nicht mal zu einer Touristenattraktion hat man es dort geschafft. Wenn schon nicht Großkunst, dann wenigstens das. Wie muß jemand beschaffen sein, um zum Liebling zu werden? Immer ein bißchen bellen, aber nicht zu laut? Sagen, daß er/sie sich wieder zurückbesinnen will auf Altbewährtes, das fälschlicherweise vergessen wurde. Das ist zum Teil auch gut und schön. Vielleicht haben sich die Retter der Vergangenheit auch erst gewundert über den Erfolg beim "Feind"? Vielleicht hat dann der kleine Teufel im Ohr etwas vom Gang durch die Institutionen gefaselt, und das Bankkonto sprach auch noch ganz eindringlich mit, was sicher verständlich ist. Aber warum trötet nun jeder gegen jeden zum Angriff, ist völlig anders als der andere? Alle haben nur das eine Ziel: Reich und berühmt werden. Aber das will doch so ziemlich jeder. Möglicherweise wird unser Dorf doch noch schöner, kultivierter. Rebellisch wird es, nach außen hin, nicht mehr sein.
hf

© scheinschlag 2000
Inhalt dieser Ausgabe | Home | Aktuelle Ausgabe | Archiv | Sitemap | E-Mail

  Ausgabe 01 - 2000