Ausgabe 01 - 2000berliner stadtzeitung
scheinschlag

Diese Ausgabe

Inhaltsverzeichnis


Zur Homepage

Spekulationsfreie Zone Bremer Höhe?

Eine Mietergenossenschaft in Prenzlauer Berg sucht ihre Chance

Unter der Überschrift "gesichertes Wohnen in Berlin" hat der neue "Supersenator" Peter Strieder unlängst öffentlich angekündigt, künftig auch die Förderung des Genossenschaftswesens in Berlin in Angriff nehmen zu wollen. Ob diese Ankündigung ernst gemeint ist oder nur eine Phrase bleiben wird, könnte sich bereits im nächsten Vierteljahr erweisen. Bis zum 30. April jedenfalls, wird sich entscheiden müssen, ob die 514 Wohnungen der "Bremer Höhe" in Prenzlauer Berg von der WiP an eine neugegründete Mietergenossenschaft veräußert werden oder ob der "Bauverein zu Hamburg" sie in Eigentumswohnungen umwandelt und auf dem Markt meistbietend verscherbelt. Für die Entwicklung des Problemquartieres um den Helmholtzplatz könnte diese Entscheidung richtungsweisend sein.

Drei Wohnblöcke mit insgesamt 49 Gebäudeteilen zwischen Schönhauser und Pappelallee bilden zusammen die "Bremer Höhe". Die um die Jahrhundertwende in einer frühen Form des Siedlungsbaus entstandene Anlage in der Gneist-, Buchholzer und Greifenhagener Straße ging erst 1998 nach einem Rechtsstreit mit der 1948 von den Sowjets enteigneten, kirchennahen "Alexandra-Stiftung" in das Eigentum der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft in Prenzlauer Berg (WiP) über.

Ende Oktober 1999 erreichten die Mieter die ersten Informationen, daß die WiP plant, diese Anlage im Rahmen des Altschuldenhilfegesetzes an einen Zwischenerwerber zu veräußern. Innerhalb weniger Wochen organisierten sie sich zu einer schlagkräftigen Genossenschaftsinitiative: Am 27. Januar 2000 findet in den Gemeinderäumen der Elias-Gemeinde in der Göhrener Straße die Gründungsversammlung der "Genossenschaft Bremer Höhe" statt. Ziel dieser Genossenschaft ist der Erwerb und die Sanierung der 514 Wohnungen.

Die WiP blockiert...

Obwohl die wichtigsten Schritte schon unternommen sind - erste Baukostenabschätzungen, Zusammenarbeit mit einem genossenschaftlichen Prüfverband, gute Verbindungen zu einer Bank - steht dem Erfolg des Genossenschaftsprojektes noch sehr viel im Wege. Das ist vor allem der WiP zu verdanken. Die Wohnungsbaugesellschaft hat nämlich am 17. Dezember, als die Genossenschaftsinitiative schon längst auf den Beinen war, einen Kaufvertrag über die Wohnanlage mit der "Bauverein zu Hamburg Altbau Immobilien GmbH" abgeschlossen. Obwohl u.a. die BVV Prenzlauer Berg die WiP zuvor aufgefordert hatte, den Verkauf an einen privaten Investor bis mindestens Oktober 2000 zu verschieben, wurde in diesem Vertrag der Genossenschaft nur eine Gnadenfrist bis zum 30. April 2000 eingeräumt.

Bis dahin kann die WiP vom Kaufvertrag zurücktreten, jedoch nur unter für die Genossenschaft schwer erfüllbaren Bedingungen. Die muß nicht nur einen Kaufvertrag mit der WiP abschließen, sondern auch noch den Kaufpreis zumindestens in Form einer Bankbürgschaft hinterlegen. Außerdem muß geklärt sein, daß die Privatisierung an die Genossenschaft von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) auf die Privatisierungsquote des Altschuldenhilfegesetzes angerechnet wird. Der Kaufpreis ist zudem sehr hoch angesetzt: 850 DM/qm, insgesamt 27,75 Millionen DM.

Innerhalb von drei Monaten muß die neue Genossenschaft also nicht nur die Kaufverhandlungen mit der WiP über die Bühne bekommen, sondern auch knapp 30 Millionen DM zusammenbekommen und diverse bürokratische Hürden genommen haben. Die reichen vom Eintrag ins Genossenschaftsregister bis zur Anerkennung als "eigentumsorientierte Genossenschaft" durch die KfW. Ohne massive Unterstützung durch den Senat ist das nicht zu schaffen.

...und ist mit dem Bauverein verkungelt

Dennoch ist die Gründungsinitiative der Genossenschaft guten Mutes und läßt sich nicht beirren. Hoffnung gibt ihnen dabei der Wöhlertgarten in Mitte. Hier hat Ende 1998 die WBM eine Wohnanlage an einen privaten Investor veräußert, auch hier hat sich eine Genossenschaftsinitiative gebildet. Der ist es gelungen, einen derartigen öffentlichen Druck zu erzeugen, daß der Investor vom Kaufvertrag zurücktrat.

Der Zwischenerwerber der Bremer Höhe, der "Bauverein zu Hamburg" ist jedoch mit der WiP im hohen Maße verkungelt. So hat nicht nur der Geschäftsführer der WiP, Friedland, in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der gleichfalls landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft WIR Ende 1998 bereits 648 Wohnungen in Zehlendorf an den Bauverein verkauft - natürlich ohne die Mieter zu informieren. Auch das Aufsichtratsmitglied Franz-Josef Glotzbach hat intensive Kontakte mit der Hamburger Immobiliengesellschaft. Glotzbach erwarb Ende 1998 als Strohmann des Bauvereins zu Hamburg das Objekt Reinhardtstraße 15-17/Am Zirkus 2-3 in der Friedrich-Wilhelm-Stadt in Mitte von der WBM. Der Bauverein zu Hamburg wandelte die Wohnungen in Eigentumswohnungen um und verkaufte sie in kürzester Zeit mit einem Aufschlag von über 5500 DM/qm weiter. Natürlich gegen den erbitterten Widerstand der Mieter, die sich zum Teil vorher schon bei der WBM um den Kauf bemüht haben.

Mieter fliehen vor Privatisierung

Die Bremer Höhe liegt jedoch nicht gerade in einer Boom-Region der Berliner Innenstadt. Sie gehört zum Sanierungsgebiet Helmholtzplatz, das im seit Jahren von Bevölkerungsrückgang und dem Wegzug mittlerer Einkommensgruppen geplagten Prenzlauer Berg das Schlußlicht bildet. Vom Senat eingesetzte Quartiersmanager sollen hier seit neuestem von der angeknacksten Sozialstruktur retten, was noch zu retten ist.

In der Bremer Höhe hat alleine die Ankündigung der Privatisierung bereits eine regelrechte Fluchtwelle ausgelöst. "Der Leerstand hat sich in kurzer Zeit von rund 10 auf ca. 20 Prozent verdoppelt", schätzt Roswitha Fechner von der Genossenschaftsinitiative. Eine Genossenschaft "Bremer Höhe" könnte als spekulationsfreie Zone dagegen sogar eine stabilisierende Wirkung auf das ganze Gebiet ausüben. Sie böte die Gewähr, sich auch langfristig einrichten zu können, ohne mit übersteigerten Mietforderungen, Eigenbedarfskündigungen oder auch nur unsinnigen Nervereien eines inkompententen Wohnungseigentümers rechnen zu müssen. Nicht nur rund 80 Mieter der Bremer Höhe, sondern auch zahlreiche Bewohner umliegender Quartiere haben daher bereits ihr Interesse bekundet, der neuen Genossenschaft beizutreten und einen Genossenschaftsanteil einzubezahlen.
Christof Schaffelder

© scheinschlag 2000
Inhalt dieser Ausgabe | Home | Aktuelle Ausgabe | Archiv | Sitemap | E-Mail

  Ausgabe 01 - 2000