Ausgabe 01 - 2000berliner stadtzeitung
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Schöner Teetrinken nach Marktgesetzen

Die "Teekampagne" mischt den Teemarkt auf

Einmal im Jahr schreitet die Teegemeinde zur Tat: Die neue Ernte im Kilopack ist da, der Jahresvorrat wird angeschafft. Wer nicht in Berlin wohnt, lässt sich schwarzen und mittlerweile auch grünen Darjeeling nach Hause schicken, um dann bis zur nächsten Ernte gelassen an seiner Tasse nippen zu können. In diesem Sinne hat die Berliner "Teekampagne" ganze Arbeit geleistet: der Kunde bevorratet sich selbst, gibt sich mit einer Teesorte zufrieden und bringt unter anderem auch noch die Wiederaufforstung in der indischen Bergregion Darjeeling auf den Weg. Das von der "Teekampagne" initiierte Projekt wird mittlerweile vom WWF India federführend betreut und sorgt so für eine weitere ökologische Komponente im Teegeschäft. Wobei die Schäden so gravierend in dieser Region sind, dass es auch aus ökonomischer Sicht angeraten schien, den Umweltschutz zu fördern.

Doch im Grunde verbirgt sich hinter dem Erfolg der "Teekampagne" keine große Überraschung, verhält sich der Teekäufer doch berechenbar: Er ist ein Anhänger des Preis-Leistungsverhältnisses.

Besitzstandswahrung der kleinen Fürsten

Der Bergdistrikt Darjeeling an den Südhängen des Himalaja gilt als das Teegebiet, das die besten Teequalitäten produziert. Indem die "Teekampagne" sich auf diese einzige Sorte beschränkt, als Großeinkäufer in Indien auftritt, Zwischenhändler und Lagerkosten weitestgehend vermeidet, kann sie den Tee extrem preisgünstig anbieten. Und nicht zu vergessen: Als weiteres wichtiges Qualitätsmerkmal hat sich die Rückstandsüberprüfung auf Schadstoffe herausgestellt, die seit 1986 auf den Packungen dokumentiert wird. So hat die "Teekampagne" kürzlich vom Pestizid-Bericht der Stiftung Warentest (2/99) zu grünem Tee profitiert. In ihrem grünen Darjeeling fanden sich nur minimale Rückstände. Während über die Hälfte der untersuchten Teesorten so stark belastet waren, dass die gesetzlichen Höchstwerte überschritten wurden.

Schon 1985 hatte man mit dem Spruch "Kein DDTee" die Kampagne in die Schlagzeilen gebracht. Die Unterlassungsklage vom Verband der Teeimporteure und -großhändler folgte auf dem Fuße. Von einer Herabsetzung der gesamten Teebranche war darin die Rede. Ein weiteres Motto "Schluss mit den künstlichen Aromen" brachte ebenfalls Ärger: In Deutschland ist vergleichende Werbung verboten.

Ab diesem Zeitpunkt verließ man sich bei der "Teekampagne" nicht mehr auf die Werbebotschaft nach eigenem Gefühl, sondern zog eine professionelle Rechtsberatung hinzu. Wirtschaftsprofessor Günter Faltin, der die Kampagne vor 14 Jahren ins Leben gerufen hat, sieht in den Klagen aber eher das übliche Verhalten von "kleinen Fürsten, die unter sich bleiben wollen. Ohne Anmeldung und Unterwerfung soll niemand dazustoßen." Besitzstandswahrung eben.

Zwei Prozent Kommunismus

Mittlerweile ist die "Teekampagne" die Größte im deutschen Versandhandel. Kein Wunder, dass sich die Konkurrenz regt, denkt man da. Vergisst aber, dass der Marktanteil der "Teekampagne" unter zwei Prozent ausmacht. Es scheint doch um so etwas wie das Prinzip zu gehen. Und wenn gar nichts mehr hilft, heißt es auch mal von den anderen "der Faltin ist ein Linker oder Kommunist, der den Teemarkt zerstören will", so Faltin amüsiert. Und weil den Konkurrenten das Gesetz des Erfolges ebenso geläufig ist, gibt es zwangsläufig auch die Nachahmer der "Teekampagne". Gegen die Faltin gar nichts einzuwenden hat, im Gegenteil. Aber meist "segeln die nur im goodwill der Teekampagne mit und schlüpfen in deren Haut", so Faltin. Unter der "gleichen Maxime" träten sie aber nicht an.

Da die Bezeichnung "Teekampagne" geschützt ist, findet man nun Tees mit ähnlich klingenden Namen wie "Greentea Kampagne", "Kampagnen Tee" oder "Darjeeling Kampagne". Eine wirksame Strategie gegen die Trittbrettfahrer hat Faltin noch nicht gefunden. Der Teekäufer muss selbst genau hinschauen, was er da gerade in der Hand hält. Großpackung und das Wort "Kampagne" sind nur ein Indiz. Und sobald die aktuelle Ernte ausverkauft ist, sucht man die "Teekampagne" sowieso vergeblich. Bis dann endlich nach der nächsten Ernte die Teegemeinde wieder losziehen kann. Jahresvorrat bunkern.
sas

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