Ausgabe 01 - 2000berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Kurzkultur

Nachdem nun
alle von dem Milleniumswechsel schwer enttäuscht worden sind, weil einfach nichts Ungewöhnliches, geschweige denn Katastrophales, passieren wollte und sich eigentlich gar nichts geändert hat, gibt es doch etwas von Bestand: Den literarischen Sonntagabend im Schokoladen. Wie an dieser Stelle berichtete, ist die Reformbühne in andere Gefilde gezogen. Die Lokalität macht fürderhin jedoch die Bühne frei für die "Schokoladenseite": Lesungen und Super 8-Filme an jedem Sonntag Abend. Der gleiche Ort und andere Leute, Frauen vor allem. Die können auch lesen!
Schokoladen, Ackerstr.169/170, jeden Sonntag ab 20 Uhr

Seit Ende letzten Jahres
gibt es in der kulturellen Wüstenlandschaft vom Friedrichshain eine Oase: das Galerienprojekt EXPO 3000 will jungen KünstlerInnen ein Forum für Experimente, Erprobung und die Möglichkeit zur Kontaktaufnahme zu Gleichgesinnten bieten. Jeder, der Lust und Interesse daran hat, kann hier ohne den üblichen Verkaufs- und Vermarktungsdruck seine Werke ausstellen, vorausgesetzt der nötige Ernst und Talent sind vorhanden. Jeden Donnerstag ab 20 Uhr finden hier Vernissagen statt, als Alternative oder als Auftakt zum Berliner Nachtleben. Außerdem ist das Programm sonntags ab 19 Uhr um eine Lesereihe erweitert, wo sich junge LiteratInnen vor einem öffentlichen Publikum beweisen können.
EXPO 3000, Kopernikus Str.1, 10243 Berlin, Fon/Fax: 030-2832519.

Leute
die öfter mit der U2 fahren, kennen bestimmt den U-Bahnhof Klosterstraße, auch wenn sie immer daran vorbei fahren. Man mag jetzt denken, dass der U-Bahnhof Klosterstraße ein stinknormaler Berliner U-Bahnhof ist, aber nein... Wer jetzt neugierig geworden ist, sollte bis zum 5.3.2000 die Gelegenheit beim Schopfe ergreifen, und dort mal aussteigen. Diejenigen, die es wagen, erwarten "Zwei Klanginterventionen" von Erwin Stache, präsentiert von der Singuhr - Hörgalerie. Täglich bis Betriebsschluß können Fahrgäste am unbesetzten Zugabfertigungshaus "konkrete Klänge entdecken, zusammensetzen oder verändern und am Ausgang Grunerstraße die Entfernung zwischen Harmonie und Disharmonie durchmessen".
STOPUNDGO, U-Bhf Klosterstraße, noch bis 5.3.2000

Ein Mädchen wird
nachts auf einer Straße gefunden, niemand kennt es oder weiß, woher es kommt, nicht einmal das Mädchen selbst. Sie wird in ein Heim gesteckt, und auf eine Schule geschickt, doch jeder Versuch der Kommunikation scheitert. Nur ganz selten scheint es, als wisse das geheimnisvolle Mädchen mehr, als es preisgibt... Von diesem Mädchen erzählt der Debütroman von Jenny Erpenbeck "Geschichte vom alten Kind", aus dem sie am 9.2.2000 vorlesen wird. Wer also eine Schwäche für rätselhafte Geschichten hat, sollte sich in der Kulturbrauerei einfinden und einmal mehr über die Welt ins Staunen kommen.
Kulturbrauerei, Knaackstr.97, 20 Uhr

Sympathisch leise
Die Bar Schmalzwald in der Schlegelstraße 26 des kanadischen Künstlerpaares Laura Kikauka und Gordon Monahan ist eine selten gelungene Ausprägung der "Erlebnisgastronomie". Kikauka hat das Sammeln von Trash und Kitsch wie alte Glühbirnenverpackungen und Plüschherzpolster zur Kunstform erhoben, die Schmalzwald-Einrichtung ist ihre Ausstellungsfläche. Nicht formschöne, aber funktionstüchtige technische Gegenstände aus DDR-Produktion sind ebenfalls zu bewundern. Monahan greift in die Tasten seiner Heimorgel und bietet (leider?) unvergessene Melodien der 60er und 70er, oft mit stilecht schmalzigem Gesang von JJ Jones. Oder es findet eine seltene Theremin-Darbietung statt, ein Instrument, das nicht durch Berührung, sondern elektrische Spannungsfelder der Musikerhände Klang erzeugt und gleichermaßen durch Hitchcock wie Brian Wilson Verwendung fand. Ein DJ mit Mut zur Peinlichkeit läßt einen Schmalzwald-Abend debil-fröhlich ausklingen. Der schräge Laden hat sich herumgesprochen, aber trotz offizieller Annerkennung des Spiegels als Trendbar des "neuen Berlins", ist das Schmalzwald sympathisch geblieben. Nun droht dem Schmalzwald das Aus. Die Vermieter haben gekündigt wegen Lärmbeschwerden der Anrainer (weniger der Laden selbst als kommende und gehende Gäste im Hof). Miteigentümer Reinhard Michel möchte das Schmalzwald nicht "loswerden" und begrüßt eine Mischung aus Wohnen, Arbeiten und Kultur in den Edison-Höfen. Aber mangels einer griffigen Problemlösung ist er vorerst dem Druck der Beschwerden gewichen. Das Schmalzwald-Team gibt nicht auf und öffnet weiterhin freitags und samstags die goldene Garagentür, allerdings nur mit musikalischen Darbietungen von Konserve. Wenn dadurch die vermeintliche Lärmbelästigung eingedämmt und damit Anwohner und Vermieter beschwichtigt werden könnten, läßt sich hoffentlich eine Verbleibemöglichkeit für dieses Nachtleben-Kleinod finden.
Natalie Gravenor

Ein Datum sollte
man sich auf jeden Fall im Zeitplaner oder Filofax - Kalender sind meines Wissens out - vormerken: den 29.01.2000. Nicht, weil Onkelchen 70 wird, sondern weil das ACUD, im Rahmen einer Veranstaltung vom Museumspädagogischen Dienst Berlin, ein Spezialprogramm vorbereitet hat. Kino, Galerie, Theater, Musik von und mit zum Beispiel Jim Avignon, dem "Tizian des Techno", Jörg Grunow und diversen anderen Künstlern und Bands... Hier wird sich kaum einer langweilen - sicherlich eine Alternative zu jeder Geburtstagsfeier!
Lange Nacht der Museen Im ACUD, Kunstverein ACUD, Veteranenstr.21, 29.01.2000, ab 18 Uhr

Berliner Frauen
Der Frauentreff "Brunnhilde" e.V. hat einen Wandkalender mit Portäts von Berliner Frauen produziert. Diese Frauen haben vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Bedeutendes für Berlin geleistet. Trotzdem sind die meisten von ihnen heute nahezu unbekannt und vergessen. Einige der Porträts stützen sich auf eigene Recherchen der "Brunnhilde"- Frauen, einige andere Porträts entstanden auf der Grundlage von unveröffentlichtem Material, das von Familienangehörigen oder Forscherinnen zur Verfügung gestellt wurde. Die Literaturhinweise zu den einzelnen Frauen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern sind Empfehlungen für gegenwärtig im Buchhandel, in Antiquariaten oder einigen Bibliotheken zugänglichen Publikationen. Im November wird der Frauentreff "Brunnhilde" in der Galerie des Rathauses Berlin-Mitte eine Ausstellung über Frauen in der Berliner Geschichte der letzten 150 Jahre gestalten. Dabei werden auch einige der im Wandkalender porträtierten Frauen ausführlicher vorgestellt werden.
Detlef Kundt Der Wandkalender ist erhältlich bei:
Frauentreff "Brunnhilde" e.V., Rheinsberger Straße 61, Mo. und Mi. 9-18 Uhr, Di. und Fr. 9-15 Uhr, Do. 13-18 Uhr Betroffenvertretung Rosenthaler Vorstadt, Strelitzer Straße 4, Di. 17-19 Uhr Baobab-Infoladen Eine Welt e.V., Christburger Straße 38, Mo.-Fr. 10-13 Uhr und 15-19 Uhr, Sa. 12-15 Uhr

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