Ausgabe 12 - 1999berliner stadtzeitung
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Surrealismus ist die Dreizehn

Eine Dali-One-Man-Show bei den Friends of the Italian Opera

"Hello Dali...Atomic", was für ein blödes Wortspiel und eines Genies nicht würdig, könnte man denken. Ja, es geht wirklich um den Surrealisten, und das ausschließlich. Eine Gedenkperformance, eine One-Man-Show, beides stimmt. Und in Englisch, denn gespielt wird im "Friends of the Italian Opera". Bekanntermaßen war das Subjekt des Stückes von Andrew Dallmeyer kein Sprachgenie, wie man im großen Selbstdarstellungsfilm aus den Siebzigern hören konnte, wo Dali in einem fast unverständlichen Kauderwelsch aus Spanisch, Französisch und Englisch die Welt erklärt, wie er sie sieht. Und alles mit einem fiesen spanischen Akzent, im Spanischen ganz besonders.

Jedenfalls hat Dalidarsteller Avi Nassa sich diesen Film sicher auch einige Male angesehen, um diesen großartigen Akzent nachahmen zu können. Denn an Dali war alles großartig, hat er selbst gesagt. Und eine der schillerndsten Künstler des Jahrhunderts (ja, auch hier muß mal Jahrhundert gesagt werden). Und da ist es nicht verwunderlich, daß es so ein Stück geben muß, wie dieses hier. Der Meister thront auf einem mit rotem Stoff behängten Stuhl. Daneben ein ebenfalls roter Kasten. Links am Bühnenrand ein Tisch mit einer Espressokanne und einem Gummischinken. Die Luft wabert vom Trockeneisnebel. Es riecht ein wenig nach Räucherstäbchen. Avi Nassa hat sich einen Dali-Bart angeklebt, die Frisur ist echt. Hinter dem Stuhl sind im sonnenartigen Halbrund Nummern an Drähten aufgespießt. Hinter jeder soll sich eine bestimmte Lebenssphäre Dalis verbergen. Das Publikum muß mitmachen. Da sitzt er nun und sagt: "Pick a numberrr." Man soll sich eine Nummer aussuchen, und der Meister springt von seinem Thron, verfolgt die Spur der Nummer an einer auf dem Boden liegenden Schnur entlang bis zu einem Kärtchen. Gott sei Dank ist gleich die erste Nummer die der Kindheit. darauf folgen die Rubriken, Phobien, Fetische und "surrrrrealism". Das ist die Dreizehn(!). Er rollt mit den Augen, springt auch mal auf den Zuschauerbänken herum. Dann liegt er auf dem Boden, hängt an einer Strickleiter und brüllt unverständliches Zeug. Wenn er von Gala spricht, kommt er ins Schwärmen. Genauso wie bei Kaffee, den er sich als Wasser getarnt über den Oberkörper kippt. Je mehr Nassa/Dali erzählt, desto mehr glaubt man "das Genie" zu verstehen, das auf den Vorwurf, mit den Nazis zu kollaborieren antwortete: "Wie könnte ich mit einem kleinen Schnurrbart, wenn ich doch einen großen...". Was wohl die Psychoanalyse dazu sagen würde? So ganz nebenbei ist zu erfahren, daß Max Ernst ein ganz guter Illustrator ist, Picasso leidlich sein Handwerk versteht, jedoch über wenig Einfälle verfügt, und Turner der schrecklichste Maler überhaupt ist.

Irgendwann, für einen kurzen Moment ist Avi Nassa Dali selbst. Die beiden haben einige biografische Gemeinsamkeiten, nämlich eine bewegte Kindheit und Jugend. Das Stück ist das Ergebnis einer zweijährigen Zusammenarbeit von Autor und Regisseur Andrew Dallmeyer und Schauspieler Avi Nassa, gleichzeitig künstlerischer Direktor der "Whispering Eyes Theatre Company". Ein lauter, schneller Abend und für die sogenannte Bildung ist auch etwas getan.
ib

Hello Dali....Atomic, Friends of the Italian Opera, Fidicinstr. 40, noch bis zum 19. Dezember, jeweils 20 Uhr

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  Ausgabe 12 - 1999